Der Schmied zu Thann rauft mit dem Teufel

In dem fruchtbaren Hügelland, zwei Stunden nördlich von Steyr, liegt am Rande des geheimnisvollen Bannwaldes, die zur Gemeinde Dietach gehörige alte sagenumwobene Ortschaft Thann. Hier stand einst, von einem breiten Wassergraben rund umschlossen, die Burg Thann, deren Gründung weit ins Mittelalter zurückreicht, urkundlich erwähnt wird sie zum erstenmal im Jahre 1145. Die Burg hatte im Laufe der Jahrhunderte viele Besitzer, zuerst adelige, dann bürgerliche, bis sie zuletzt, da sie schon so ziemlich Ruine war, in bäuerliche Hände kam, die sie abbrachen. Geblieben aber ist bis heute ein breiter, halbrunder, mit silbrigschimmernden Weidenbüschen besäumter Wassergraben.

Vor vielen hundert Jahren, als die Burg Thann in ihrer Schönheit noch auf dem niederen Hügel mitten im Wasser stand, trug sich, wie die Sage zu berichten weiB, in der Burgtaverne etwas sehr Seltsames zu. Saßen da eines Abends eine Menge Leute in der Burgtaverne: Bauern und Handwerker, Förster, Jäger und Dienstleute der Burg Thann. Die Bauern redeten von der Vieh-, Futter­ und Getreidewirtschaft, die Handwerker von ihren Geschäften, die Männer der grünen Gilde von Wild und Wald und sonstigen Ereignissen, die Burgleute von ihren Burgangelegenheiten.

Als die Unterhaltung mit der Zeit ins Stocken geriet, weil man nicht mehr viel zu sagen wußte, machte ein Zeigenosse den Vorschlag, es möge zur Abwechslung jeder eine Geschichte erzählen; je gruseliger sie sei, desto besser, und wer die gruseligste wisse, der solle sie als letzter erzählen. Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden und der Schmied zu Thann erbot sich, seine Geschichte als letzter erzählen zu wollen, denn sie sei, so versicherte er, die gruseligste.

Und so ging das Erzählen an. Jeder wußte eine Geschicltte zu erzählen, eine gruseliger als die andere, bis die Reihe an den Letzten, den Schmied, kam. Es war schon nahe an Mitternacltt, als der Schmied seine Geschichte zu erzählen anhub. Sie war so grausig, daß allen Zuhörern die Haare zu Berge stiegen und es ihnen kalt über den Rücken lief. Plötzlich - die Uhr in der Taverne schlug mit dumpfen Schlägen die zwölfte Stunde - sprang der Schmied, der seine Geschichte soeben beendet hatte, von seinem Sitz auf und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die sich langsam öffnende Tür, durch die der Teufel in die Wirtsstube trat. Höhnisch grinsend, wie das nur der Teufel kann, ging er auf den Schmied zu, packte ihn und wollte ihn entführen. Doch der Schmied setzte sich zur Wehr, und es hub ein gewaltiges Raufen an.

Da nur der Schmied allein den Teufel sehen konnte und sonst niemand von den Leuten in der Taverne, denn er war für sie in eine Tarn- oder Nebelkappe gehüllt, kamen ihnen die ständig wechselnden Rauferstellungen des Schmiedes ganz sonderbar vor; sie meinten nichts anderes, als daß der Schmied plötzlich den Verstand verloren und närrisch geworden sei. Doch sie merkten bald, daß der Schmied, weil er nicht aufhörte, mit einem Unsichtbaren raufen müsse, vielleicht gar mit dem Teufel. Und so war es. Beide fuhren in der Stube hin und her, warfen Stühle um, stieBen an die Tische, daß sie aus der Ordnung kamen, Krüge fielen um oder kollerten zu Boden, wo sie mit Getöse zerschellten. Die Zecher flüchteten, Angst und Neugierde in ihrem Gehaben ausdrückend, bald hierhin, bald dorthin. Einige Hunde, die ruhig unter den Tischen gelegen, stürzten aufgeregt hervor, die Schweife zwischen den Hinterbeinen eingezogen.

Keuchend raufte der Schmied fort, bis seine Kräfte nachließen und schließlich zu erlahmen drohten; denn er war, trotz seiner Stärke, dem höllischen Gegner nicht gewachsen. Verzweifelt rief er: "Helft's mir! Helft's mir! Sehts ihn denn nöt, den Teufel?" Aber wie sollten sie ihm helfen können, so gern sie es wollten, wenn ihnen der, mit dem der Schmied raufte,nicht sichtbar und daher nicht greifbar war?

In der höchsten Not riß die Schenkin das Weihwassergefäß, das neben der Tür hing, von der Wand und schüttete den Inhalt hin gegen den raufenden Schmied. Einige Spritzer des geweihten Was­sers trafen den Teufel, der zusammenzuckte. Er ließ vom Schmied ab und, scheu wie ein geprügelter Hund, fuhr er bei der Tür hinaus. Der Schmied sank auf einen Stuhl und starrte verwirrt und geistesabwesend vor sich hin. Es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Seine Kleider hingen ihm in Fetzen vom Leibe. Man brachte den halbtoten Schmied nach Hause. Einige Tage lebte er noch, dann starb er.

Die gruselige Geschichte des Schmiedes ist von seinen Zuhörern nie weitererzählt worden aus Furcht, es könnte jedem so ergehen, wie es dem Schmied zu Thann ergangen ist.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 185
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006