Die Kirche in St. Blasien

Eine halbe Gehstunde von dem weltberühmten oberösterreichischen Kurort Bad Hall entfernt, liegt auf einsamer Heide das alte Kirchlein St. Blasien. Es ist aus Konglomeratgestein in gotischem Stile aufgebaut und liegt am Rande einer halbbogenförmigen Erdmulde. Ein kleiner Wald in dieser Mulde, vom "Blasenbach" durchflossen, umschließt im halben Bogen das altertümliche Kirchlein, dessen südseitig angebaute Sakristei mehrere schießschartenähnliche Fenster hat. Wie dunkle Augen starren dem Besucher die vielen Gerüstlöcher an, die sich zwischen und über den spitzbogigen Fenstern befinden. Von diesen Löchern, die nur an den Außenwänden alter Kirchen zu finden sind, haben zahlreiche Fledermäuse Besitz ergriffen; auch etliche Eulen hausen darin, deren gespenstische Rufe in stiller Nacht um das einsame Kirchlein tönen.

Beim Eintritt in die Kirche fällt das im Bogenfeld des Haupteinganges befindliche rote Radkreuz auf. Die Kirche ist einschiffig, besitzt zwei alte Seitenaltäre und einen schwarzen frühbarocken Hauptaltar mit dem Bilde des Hl. Blasius. In der Kirche ist es feucht und kühl, die Steinpflasterung des Bodens ist mit grünem Moos übersponnen. Das hohe Gewölbe hat in der Mitte ein Loch von einem halben Meter im Durchmesser, das mit einem HoIzdeckel verschlossen ist. Das Volk erzählt die Sage, daß nach der Fertigstellung der Kirche durch dieses Loch der Teufel ausgefahren sei.

Über die Entstehung der Kirche St. Blasien in Prüherswang, wie sie näher bezeichnet wird, ist nichts bekannt, auch sonst weiß die Geschichte wenig zu berichten. Sicher ist aber, daß ihre Gründung in sehr alte Zeit zurüdcreicht. Viele merkwürdige alte Bräuche, die jahrhundertelang hier geübt wurden und alte Sagen deuten darauf hin, daß an dieser Stelle einst eine alte Verehrungsstätte gewesen sein muß.

Von den vielen Sagen, die das Einödkirchlein auf der Heide umspinnen ist diejenige die kürzeste, die erzählt, daß sich vor vielen Jahren einer hierher "verlobt", das heißt, als Einsiedler sein Leben hier erbaulich verbracht habe. Das gleiche tat auch im Jahre 1684 ein Abt von Kremsmünster wegen seines Halsleidens. Die Sage weiß auch zu berichten, daß Hall einst eine große Stadt gewesen sei, deren Endpunkte drei Kirchen waren: die Margaretenkirche am grünen Anger, die Kirche von Pfarrkirchen und die Kirche von Prüherswang. Durch einen gewaltigen Krieg wurde Hall zerstört und nur die drei Kirchen sind übriggeblieben.

Von dem Kirchlein St. Blasien sind drei Gründungssagen bekannt. Interessant ist die erste dieser Sagen: Die Kirche soll von den Rohrern, einem gewalttätigem Rittergeschlecht, die auf dem Gipfel des sehr steilen Heuberges in Leonstein ihre feste und schier uneinnehmbare Burg hatten, erbaut worden sein. Einer von diesem Geschlecht, wahrscheinlich Wilhelm Ritter von Rohr, dem Herzog Albrecht 11I. im Jahre 1380 wegen einer bösen Tat die Burg drei Monate lang belagerte und schließlich zerstörte, floh durch einen unterirdischen Gang und gelobte, dort, wo er Schutz fände, eine Kirche zu bauen. Jedenfalls hatte er hier Schutz gefunden, ist in sich gegangen und hat dann die Kirche St. Blasien erbaut.

Die zweite Sage erzählt: Vor vielen Jahren war in Ungarn die Pest ausgebrochen. Eines Tages kam ein ungarischer Prinz, der vor der Pest geflohen war, in die Gegend von Prüherswang, wo damals noch viel Wald gewesen, und siedelte sich dort an. Lange blieb er dort und lebte ein einfaches Leben. Als in seinem Vaterlande die Pest erloschen war, verließ er wieder unsere Gegend und reiste zurück in seine Heimat. Aus Dankbarkeit,:daß er mit dem Leben davongekommen, und zur Erinnerung ließ er auf dem Hügel am Bache eine Kirche bauen und stiftete zur Kirche einen Weingarten. So die Sage. Zur Kirche St. Blasien soll aber nie ein Weingarten gehört haben. Der Weingarten, von dem das Volk phantasiert, ist vielleicht ein Weihgarten (Weihegarten, Weiheplatz, Opferplatz) gewesen, der in der Erinnerung des Volkes als Weingarten fortlebt.
Bedeutungsvoll ist auch eine dritte Gründungssage, die von dem Blasiuskirchlein erzählt wird: Vor 700 Jahren ist hier einer erschlagen worden; der ihn erschlug, ließ zur Sühne für seine Tat an dieser Stelle eine Kirche bauen. Die 700 Jahre dürfen aber nicht wörtlich genommen werden. Denn diese Sage mag vor fünfzig und mehr Jahren auch schon so erzählt worden sein, wie sie heute noch erzählt wird. Der mythologische Hintergrund ist deutlich zu erkennen.

Vor mehreren Jahrzehnten wurde hier noch ein sehr alter Brauch geübt. Bauern kamen am Tage St. Blasius mit ihren Pferden herzu, ritten dreimal rund um die Kirche und ließen sie bei der Kirchentür hineinschauen, dann gaben sie ihnen Salz und Brot, die beide in der Kirche St. Blasius geweiht worden waren.

Der Zweck, zu dem in alter Zeit das Blasiuskirchlein errichtet wurde, hat es längst erfüllt. Nun steht es schon lange einsam und verlassen auf der Heide; das Kirchlein darf aber nicht abgebrochen werden, sonst verfällt, wie das Volk geheimnisvoll sagt, der - "Weingarten".

Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß nicht weit vom Blasiuskirchlein der Galgen des Landesgerichtes Hall stand; die·Wiese, früher bewaldet, auf der der Galgen sich erhob, heißt heute noch "Galgenweid".

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 143
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006