Der Teufelsspuk im Reitnergraben

Die sagenreichste Örtlichkeit des ganzen Ramingtales ist der Reitnergraben. Dieser Graben durchfurcht, beginnend hoch oben in der Waldregion, bis hinunter zum Ramingbache den mit Wald, Feldern und Wiesen bedeckten büheligen Nordabhang des Damberges. Über seinen steinigen Grund hüpft ein munteres Bächlein fröhlich talab, seinem großen Bruder, dem Ramingbache zu; bei der Grünwaldmühle springt er ihm ausgelassen und johlend auf seinen rotbraunen Rücken. Im Bereiche des Reitnergrabens stehen mehrere alte Bauernhäuser und Häuschen, sonst aber ist er ein einsamer, nicht sonderlich sonniger Graben. Vom Haupte des 811 Meter hohen Damberges nieder starrt der dunkle Tannenwald, der abends, wenn die Sonne ehzeit um den Berg hinüber verschwindet, lange Schatten über das Gelände wirft.

Dieser Graben muß einstmals eine unheimliche Örtlichkeit gewesen sein, denn in all den Sagen, die den Graben umspinnen, spielt der Teufel eine Rolle; hier hat er, wie die Leute erzählen, sein Unwesen getrieben. Längs des Grabens ist er auf· und abgefahren, unsichtbar, mit lautem Gepolter und wüstem Gelärm. Dann zeigte er sich wieder als unheimlicher, schweigsamer Geselle mit "gluhradö Aug'n" und" feuerspeibendem Mäul", hinkend, mit "Goaßhax'n"; manchmal glühten auch die Hörner.

Auch als schwarzer Hund ließ er sich sehen. Aber immer in dunkler Nacht, denn am Tage hatte er ja, wie männiglich bekannt, keine Macht. So trieb er es durch viele Jahre. Erst als der alte, heute nicht mehr lebende Söldenbesitzer Beinhackl bei der Reitnergrabenbrücke oben in Unterwald drei Kreuze errichten ließ und am unteren Ende des Grabens, bei der Grünwaldmühle, die große halbrunde Kapelle erbaut ward, gab - so wird versichert - der Teufel endlich Ruhe.

Der Teufel, der uns häufig in den Sagen des Ramingtales begegnet, ist niemand anderer als der durch das Christentum besiegte germanische Gott Donar; wir erkennen ihn an seinen Attributen, den Hörnern und Bockfüßen, volkstümlich "Goaßhax'n".

Der Teufel ist im Reitnergraben auch mit Getöse und wüstem Gelärm zwiespannig fahrend gesehen worden. Hier ist der Teufel, mythologisch gesehen der wilde Jäger und das Auf- und Abfahren in dem wilden, einsamen Graben ist nichts anderes als die wilde Jagd.

Übrigens hat der Teufel, wie die Leute sagen, heute überhaupt keine Macht mehr, denn der Papst hat ihn verbannt auf tausend Jahre; wohin er verbannt wurde, das wissen aber die Leute nicht. Welcher Papst das war, das wissen die Leute auch nicht, ebensowenig, wann die tausend J ahre angefangen haben und wann sie zu Ende sein werden.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 48
Emailzusendung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006