Der unauffindbare Schatz

Im schönen Kremstal, eine Stunde von dem großen Markt Kirchdorf entfernt, liegt in ruhiger Gegend, auf einer Anhöhe ober dem sogenannten "Waschelgraben" das Zisterzienserkloster Schlierbach. Im Jahre 1137 stand hier eine Burg, die dem edlen Geschlecht derer von Schlierbach gehörte. Im Jahre 1355 wurde die Burg ein Nonnenkloster und im Jahre 1620 ein Männerkloster der Zisterzienser.

Ein Prälat dieses Klosters ließ einst, da Krieg auszubrechen drohte und es schien, als wollte der Feind ins Land eindringen, aus Vorsicht heimlicherweise den Klosterschatz vermauern. Weil der Prälat nicht wollte, daß der Maurer, den er für diesen Zweck aufgenommen, wisse, an welcher Stelle des Klosters er den Schatz vermauere, verband er ihm die Augen und führte ihn hin und her, treppauf und treppab bis zu einer Stelle, die ihm für diesen Zweck gut dünkte. Hier nahm er ihm die Binde von den: Augen und der Maurer verrichtete gegen gute Belohnung seine ihm anbefohlene Arbeit. Mit verbundenen Augen führte der Prälat den Maurer zum Ausgang des Klosters, wo er ihn, für die geleistete Arbeit dankend, entließ.

Bald darauf verfiel der Prälat, der sich Geschäfte halber längere Zeit in Linz aufhielt, in eine schwere Krankheit. Im Vorgefühl des· nahen Todes schickte er einen reitenden Boten nach jenem Maurer, um ihm zu sagen, an welcher Stelle des Klosters er den Schatz vermauert habe, damit er dies den Klosterbrüdern mitteilen könne. Doch als der Maurer in Linz ankam und durch das Stadttor ging, wurde für den Prälaten das Zügenglöcklein geläutet; der Prälat war schon gestorben.

Umsonst stellten die Klosterbrüder mit Hilfe des Maurers im Kloster Schlierbach Nachforschungen nach dem vermauerten Schatz an; umsonst bot der Maurer seine ganze Erinnerungskraft auf, der Schatz wurde nicht gefunden. Auch dies trug nicht zur Entdeckung bei, daß der Maurer aussagte, er habe, während er den Schatz einmauerte, eine Uhr über sich gehört. Der Schatz war und blieb unauffindbar, ein verlorener Schatz.

Quelle: Franz Harrer, Sagen und Legenden von Steyr, mit freundlicher Genehmigung vom © Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1980, S. 154
Emailzusedung von Norbert Steinwendner, am 11. April 2006