DER SPAZIERGANG

Vor sehr langer Zeit unternahmen mehrere Bauern einen kleinen Spaziergang an den nahe liegenden Untersberg. Es war bereits etwas dunkel geworden, als sie hier anlangten. Sie bemerkten oben eine lustige Gesellschaft, die sich mit Kegelscheiben beschäftige. Sie gingen den Berg hinan und waren gesonnen, mit ihnen zu spielen. Oben angelangt, erblickten sie niemanden. Sogleich erinnerten sie sich des hier wohnenden Geistes, und einer von ihnen rief ihn an, er möge sie beschenken. Plötzlich erschien ein grau gekleideter, kleiner Mann mit silberweißem Haare, der einem jeden von ihnen einen ziemlich großen Birkenbuschen gab. Sie nahmen ihn an, aber nur einer bedankte sich. Als sie am Bergabhange stunden, fingen sie an zu murren und warfen ihr unansehnliches Geschenk weg. Bloß der, welcher sich bedankt hatte, behielt es. Er kam nach Hause und warf es hinter den Ofen. Seine Kinder griffen voll Freude darnach und verteilten es. Es war bereits Abend geworden, und die ganze Familie begab sich zur Ruhe, das Geistergeschenk aber lag am Boden, in viele Stücke gerissen. Als der Bauer früh morgens das Bett verließ, und die Sonne ihre ersten Strahlen in seine Stube sandte, erblickte er am Boden etwas Schimmerndes. Er hob es auf, und siehe da, der unansehnliche Birkenbuschen war in Gold verwandelt worden. Voll Freude eilte er zu seinen Mitgenossen und erzählte ihnen, was geschehen war. Vergebens war aber ihr Suchen am Abhänge des Unterberges, das Weggeworfene war verschwunden.


Quelle: Vernaleken, Theodor, Alpensagen, Wien 1858, Nr 49