DER JÄGER IM UNTERSBERG

Im Jahre 1738 befahl der Jäger, der damals auf dem Untersberge seinen Forstbezirk hatte, seinem Knecht und Bruder Michael Holzegger zum Nachsehen auf den Berg zu gehen. Dieser blieb aber vier Wochen aus, so daß alle der festen Meinung waren, er habe sich verstiegen und keinen Rückweg gefunden, oder er sei wohl gar irgendwo vom Berge abgefallen. Da beschloß der Jäger, für ihn in der Wallfahrtskirche auf der Gmain einen Gottesdienst halten zu lassen; aber, o Wunder! - währenddessen kam der Jägerknecht selbst leibhaftig in die Kirche, um Gott für seine Rettung zu danken. Er kniete sich vor das Speisegitter, und als es Zeit zum Opfer war, stand er zuerst auf und ging voran. Nun erkannten ihn erst seine Verwandten und Befreundeten und verwunderten sich gar sehr, daß der mit dem Opfer ging, für dessen arme Seele man den Trauergottesdienst hatte halten lassen. Alles drängte sich zu ihm, um zu hören, wie es ihm ergangen und was sich mit ihm auf dem Berge begeben hätte. Allein der Jägerknecht war ganz verschlossen und tiefsinnig, und es war aus ihm nichts herauszubringen, als daß er im Untersberge gewesen sei und die Leute auf das verwies, was Lazarus Gitschner ohnehin von diesem Berge beschrieben habe.

Als der damals regierende Erzbischof Firmian von diesem wunderbaren Ereignis benachrichtigt wurde, ließ er den Jägerknecht zu sich rufen, um das Wahre von dem Wunderberge zu erfahren. Allein der Jägerknecht gab dem Bischof zur Antwort, er dürfe nicht reden, außer wenn er ihm die gnädigste Erlaubnis erteile, ihm selbst beichten zu dürfen. Dieses Ansuchen wurde ihm ohne Bedenken bewilligt. Nach abgelegter Beichte wurde auch der Bischof sehr nachdenkend und tiefsinnig. Man sah an ihm fortan viel Traurigkeit, Bestürzung und Liebe zur Einsamkeit, wie er denn in seiner letzten Zeit sich auf einen Landsitz, die Leopoldskrone, begeben hat und dort gestorben ist.

Michael Holzegger begab sich bald darauf nach Wien, wo er sich verehelichte und mehrere Kinder hinterließ. Seine Geschichte ist von seinen Verwandten in Grödig vor geistlicher und weltlicher Obrigkeit eidlich bekräftigt worden.


Quelle: Huber, Nikolaus, Sagen vom Untersberg, Salzburg 1901, Nr. 68