Begegnungen mit den Wilden Frauen

M. Reindl, ein Bauer, ging einmal spät abends von Groß-Gmain nach Hause. In der Nähe des Schlosses Plain, als er eben den Feldweg, der zu seinem Hause führte, betrat, kamen plötzlich zwei weiß gekleidete Frauen mit langen, aufgelösten Haaren an ihn heran, nahmen ihn in ihre Mitte und drückten den armen Bauer derart, daß er weder imstande war, sich zu rühren, noch einen Laut von sich zu geben, so sehr er sich auch anstrengte. Schon glaubte er, sein letztes Stündlein habe geschlagen, da ließen die Frauen ihn los und verschwanden. Er aber erreichte unangefochten sein Haus und dankte Gott für seine Rettung.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 137, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 191.

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Ein altes Mütterlein, das nächst dem Steinbruche am Untersberge wohnte, erzählte im Jahre 1799 dem Verfasser der "Reisen durch Salzburg" mit innigem Vergnügen, daß sie als kleines Mädchen die schönen Wildfrauen in weißen Gewändern und mit fliegenden Haaren auf den Firsten des Untersberges gesehen und ihre schönen Lieder gehört habe; kleine Männchen mit netzförmigen Häubchen seien gleichzeitig unter dem weidenden Vieh umhergewandelt.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 137, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 191.

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Ein Herr und zwei Damen stiegen vor nicht gar langer Zeit auf die Schweigmühlalpe am Untersberg. Indes der Herr zum Mückenbrunnen und in die Röthellack ging, suchten die beiden Damen die Sonnenwendstätte auf, um daselbst die herrliche Aussicht zu genießen.

Plötzlich fingen sie fürchterlich zu schreien an. Rasch lief die Sendin zu ihnen und erfuhr nun aus deren Munde, daß sie soeben in einer Höhle eine schöne Frau, angetan mit schwarzen Kleidern, gesehen hätten, die vor ihren Augen in nichts zerflossen sei. "Das war eine Wildfrau", meinte die Sendin, "die tut nichts Böses und fügt keinem ein Leid zu."

Die Damen ließen sich aber nicht beruhigen, sondern verließen mit ihrem bald zurückgekehrten Begleiter eilig den Berg.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 138, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 191.