Böse Absichten

Zwischen Salzburg und dem vier Stunden davon entfernten Neumarkt stehen zwei schöne Schlösser: Sieghartstein, eine Viertelstunde vor Neumarkt, und Seewalchen am Wallersee; im ersten hauste Ritter Leonhard von Dachsberg, mit welchem Virgil der Erste, der sich 1451 von Sieghartstein einschrieb, unter Erzbischof Friedrich Hauptmann in Salzburg und I533 gestorben war, in großer Fehde gestanden hatte. Diese war ob einer Hirschdecke entbrannt und der Ritter von Dachsberg, welcher wider Fug und Recht einen Hirschen erlegt hatte, befahl seinen Knechten: "Grabet in Teufels Namen die Haut ein, damit's niemandem bekannt werde!"

Es blieb aber nicht verborgen und kam schließlich zwischen beiden soweit, daß einer dem anderen auf ganz unerhörte Weise nach dem Leben strebte. Virgil Überracker ließ einen sehr schweren, engen, eisernen Ring machen, mit langen Spitzen und einem Schlosse versehen; diesen Ring wollte er dem Dachsberger anschlagen lassen, wenn er seiner habhaft würde, und sodann den Schlüssel in den tiefen See werfen, damit der Dachsberger für sein ganzes Leben hindurch den Ring hätte tragen müssen.

Der Dachsberger wieder ließ sich auf seinem Schlosse eine Keuche errichten, welche oben, unten und in der Mitte mit eisernen Spitzen versehen war; in diese wollte er den Virgil Überracker werfen lassen. Sobald er ihn einmal in derselben gewußt hätte, wäre die Türe nicht wieder geöffnet worden und der Gefangene den grausamsten Qualen des Hungertodes preisgegeben gewesen.

Zum Glücke blieb es aufbeiden Seiten nur bei der bösen Absicht, denn keinem gelang es, den anderen zu fangen.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.2, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 442f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 114.