DIE HEXE LUDERLIN

In Alt-Oberndorf, im sogenannten Krieplmannshaus, hauste die Hexe Luderlin. Sie saß meist mit entblößtem Oberkörper auf der Fensterbank, und zeitweilig konnte man auch bemerken, wie sie sich mit Stricken geißelte.

Im Spätsommer des Jahres 1822 kehrte der 28jährige Soldat Gundringer, genannt "Hasenmoar", aus Preßburg heim, um seinen Urlaub im Vaterhause zu verbringen. Mit krächzender Stimme schrie ihm die Hexe entgegen: "Ob'n auf und nindascht an!", das sollte heißen: Geh' in der oberen Gasse und nicht bei mir vorbei.

Der Soldat jedoch zog seinen Säbel, steckte ihn in die Erde und sprach:

Fahr bin in alle Ewigkeit!
Im Namen der Dreieinigkeit!
Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiliger Geist.
Schütz mi auf der Roas,
Mei Familie vor Schreck,
Dö Kinder vor Froas!

In demselben Augenblick fuhr die Hexe, die Schürgabel zwischen den Beinen, beim Fenster hinaus und ward seit der Stunde nimmer gesehen. - Der Soldat hatte dadurch die arme Seele erlöst, die sonst hätte ewig wandern müssen.

Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 77