Die goldene Kette im Krimmler See

Ein öder Platz voll Gerölle im Hochgebirge bei Gerlos heißt die "wilde Krimml". Daselbst ist auch eine Lache, welcher das Volk den Namen eines Sees beilegt. Wirft man in diese Lache nun einen Stein, so verfinstert sich der Himmel, es fängt zu blitzen und zu donnern an, und ehe man sich's versieht, ist ein großes Unwetter fertig, mag früher der Himmel auch noch so heiter gewesen sein. Vor langem gewahrte einmal ein Schäfer an dem einen Ufer dieses Sees eine goldene Kette, welche zur Hälfte im Wasser, zur Hälfte am Lande lag. Er wollte sie aufheben, sah aber im selben Augenblicke am jenseitigen Ufer eine viel größere und weit schönere liegen. Nun ließ er die erste aus den Augen und eilte zur größeren; als er sich aber darnach bückte, glitten beide rasch ins Wasser, ohne daß er auch nur ein Stück von einer erhaschen hätte können. Das hatte er für seine Ungenügsamkeit.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 2, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 554, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 226.