DER KROPFALM-GEIST

Im Dorfe Kaprun im Pinzgau und in dessen Nachbarschaft erzählen die Leute:

Auf der Kropfalm war es einstmals gar nicht auszuhalten. Bei dem besten Gesundheitszustand und bei der gesegnetsten Almzeit ging fast alle Tage ein Stück Vieh zugrunde, und das war gewöhnlich die schönste und beste Milchkuh. Sie fielen plötzlich tot nieder, und dann fand man jedes Stück mit einem kohlschwarzen Eisenring um den Hals, der es erstickt hatte. und die Melker und Hirten mußten sagen: "Buarn, da hat d'r loadige Schwarzi sein Gschpül [Gespiel] dabei, das siecht ma'am schwarz'n Ring." Sie sandten endlich nach Hundsdorf, wo sich ein Pater Franziskaner aufhielt, welcher schon mehr als einmal dem Teufel das Handwerk gelegt hatte, und ließen ihn um Beistand bitten. Wie der Franziskaner vom Boten den Hergang der Sache genau erfahren hatte, nahm er ihn mit sich in die Kirche und betete, nahm ein Buch und mancherlei "gweichts Zoig" (geweihte Dinge) und begab sich mit dem Boten auf die Alm, befahl aber diesem, auf dem ganzen Wege kein Wort zu reden, was jener auch tat, und beide gingen stumm nebeneinander. Auf der Alm droben mußten ebenfalls die Almleute stumm verbleiben, und der Pater machte auf einem lichten Platze einen weiten Kreis, stellte sich mit den Melkern und Hütern hinein, las aus dem mitgebrachten Buche, welches sehr groß war, und - auf einmal rauschte, krachte und polterte es im nahen Berge, und eine große, schwarze Kugel rollte holpernd durch den Wald heraus zu Tal und fiel unten hinab über das sogenannte "Wändgschröf". Seit jenem Tage ist wieder Ruhe auf der Alm, und dankbar gedenken die Besitzer derselben des Franziskaners, der auch schon lange tot ist.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 22