Der Holz-Fluch

Vorbemerkung von Leni Wallner:
Als 1981 nach 34 Jahren der vierte Mann (darunter 3 Brüder innerhalb von 10 Jahren) vom selben Hof bei der Holzarbeit tödlich verunglückte, errichtete der Jungbauer ein Kreuz.

Die Leute sagten, auf dem Lechnerhof müsse „ein Fluch drauf sein“ und hofften, dass das Kreuz nun wohl den Fluch bannen würde.

Besagtes Wegkreuz vom Lechnerhof © Leni Wallner
Besagtes Wegkreuz vom Lechnerhof, Neukirchen
© Leni Wallner, Januar 2006

Ich halte eigentlich wenig von der Kraft der Flüche, aber irgendwie ließ mir die Sache doch keine Ruhe und ich begann, dem Fluch-Gerücht nachzugehen. Und bei der Nachbarin des Bauern, der „Kistenlehen Enzl“, schon weit über 80 Jahre alt, wurde ich fündig. Einer ihrer Onkel kannte die Menschen und die Gründe, die zu diesem Fluch führten.

Und das kam so:

Es war ein schneearmer Winter und der Gruberbauer tat sich schwer, sein geschlägertes Holz ins Tal zu bringen. So fragte er seinen Nachbarn, den Lechnerbauern, ob er es über dessen Bergwiese „hüzen“ dürfe. Beim Hüzen (Holzen) wird eine schmale Rinne – Hüzrinn oder Loipe - aus Rundhölzern gelegt, durch die dann die Stämme zu Tal sausen. Weil so wenig Schnee lag und die Gefahr, dass durch ausspringende Bäume die ohnehin spärliche Grasnarbe zerstört werden könnte, zögerte der Lechner mit der Zusage: „Müsstest mir halt schon den Schaden ersetzen…“, meinte er. Der Gruber versprach das und die Arbeit begann.

Leider sprang viel Holz aus der Loipe und die großen Stämme rissen tiefe Gräben und Löcher in die steile, fast apere Wiese. Als der Gruber nun nichts dergleichen tat, für den Schaden aufzukommen, ließ der Lechner den Schaden schätzen. Eine ansehnliche Summe wurde ihm zugesprochen Aber der Gruber wollte nicht bezahlen und wurde deswegen auf das Gemeindeamt beordert. Er bestritt die Höhe des Schadens, die sei doppelt und dreifach zu viel. “Das wird mir der Lechner büßen!“ waren seine Worte, als er den Raum verließ.

Und dann passierten eigenartige Dinge:

Auf der Lechnerwiese verendete eine Kuh. Der Trattenbach Sepp, ein alter, in Heilkunde erfahrener Mann, der „Viechdokta“, sagte, die Kuh sei vergiftet worden. Die Kuh wurde ausgeweidet und der Pansen geöffnet – da, wo der Mageninhalt lag , wuchs lange kein Gras mehr.

Der Verdacht fiel auf den Gruber…

Im Winter beim Heuziehen entdeckte man im Stadel Glasscherben im Heu, das man nun nicht mehr verwenden konnte. Verdächtigt wurde der Gruber, der natürlich seine Unschuld beteuerte.

Die Bäuerin vom Gruber war eine „eigne“ (=eigenartige) Frau: „De Gruaber-Lies is a Hex“ – die Kinder sprachen aus, was die Erwachsenen munkelten.

Um die Lechnerer zu bestrafen tat sie nun einen fürchterlichen Fluch: „Die Viecher solln verrecken und der Lechner gleich wie s Viech! Die Lechnerin soll bei lebendigem Leib verfaulen!“

Und wirklich! Die Kühe bekamen den „Augstall“ (So nannte man früher eine ansteckende Hirnhautentzündung bei Rindern) und die Tiere verendeten nach der Reihe. Der Lechner wollte eine Kuh retten und brachte sie zum Dötscherbauern in die Sulzau. Auf dem Heimweg befielen ihn plötzlich heftige Kopfschmerzen, nach ein paar Tagen verstarb er an einer Hirnhaut- entzündung. Und auch die Lechnerin lebte nicht mehr lange. Ihre Brüste bekamen Geschwüre (Brustkrebs?), niemand konnte ihr helfen, nach qualvollen Monaten starb auch sie.

Es heißt, ein Fluch „geht“ 7 Jahre. Dieser Fluch hat sich aber anscheinend auch noch auf die folgenden Generationen ausgewirkt:

Zwischen 1947 und 1957 starben drei Brüder vom Lechnerbauer, 1981 verunglückte auch der neue Besitzer beim Fällen eines Baumes ganz nahe beim Haus.

Detail Lechnerkreuz © Leni Wallner
Detail Lechnerkreuz, Spruch
Übersetzung:
Unser Herr ist auf dem Holz gestorben.
Ich bin unters Holz gekommen,
ich und noch drei vom Lechen.
Herr,,Dein Wille soll geschehen!
Wäre ja alles noch so schwer,
wenn der Glaube nicht wär.
Lass mich der Letzte sein von dem Haus
wo beim Holzen das Leben ist gewesen aus.
© Leni Wallner, Januar 2006

Dieser Spruch wurde von Flora Stainer in Pinzgauer Dialekt gedichtet.

Darunter stehen die Namen der Verunglückten und die Jahrzahlen.

Anmerkung:

Die von Leni Wallner aufgeschriebene Sage vom Holzfluch wurde von der 3a-Klasse der Volksschule Neukirchen im Juni 2008 auch illustriert und als Sagenbüchlein herausgegeben.

Die vollständige Version findet sich in der SAGEN.at-Fotogalerie!

Der Holzfluch - Sagenbüchlein der Volksschule Neukirchen im Pinzgau

Der Holzfluch - Sagenbüchlein der Volksschule Neukirchen im Pinzgau

Der Holzfluch - Sagenbüchlein der Volksschule Neukirchen im Pinzgau

Der Holzfluch - Sagenbüchlein der Volksschule Neukirchen im Pinzgau

Die vollständige Version findet sich in der SAGEN.at-Fotogalerie!

Quelle: Leni Wallner, Sagensammlerin und -führerin, Emailzusendung vom 1. Februar 2006