Schatz- und Bergsagen.

Es ist ein dem Bergvolke eigener Zug, den Jäger ganz besonders als Urbild der Kraft und Meister seines Schicksals sich auszumalen. Denkt man dann noch daran, daß wirklich der Jäger der erste war, der in die ursprüngliche Wildnis des Hochtales eindrang, so muß ihm auch die Sage das Glück zuschreiben, daß er das erste Gold gefunden.

So wird auch erzählt: Ein Gemsenjäger war über Felsen und Schluchten dem edlen Bergwilde nachgestiegen, bis er nach vergeblichem Bemühen eines langen Tages ermattet am Rande eines Abgrundes zum Ausruhen niedersank. Inbrünstig sandte er sein Gebet zum Himmel und klagte seine Not, denn Weib und Kind warteten vergeblich, daß der Vater einen Bock heimbringe. Noch im Gebet versunken, hörte er fröhlich ein Krachen in den Felsen und als er rasch sich aufriß und nach dem Wege zum Abstiege umsah, konnte er ihn nicht mehr finden. Dagegen glänzte ihm aus einer Felsenspalte, in die kein Strahl der Sonne gedrungen sein konnte, etwas hell entgegen. Da gab es kein Halten mehr, tiefer und tiefer dringt er ein, klemmt er sich durch und klimmt er hinan, bis er blankes Gold in Händen hat. So dringt er immer weiter in den Schacht hinein, immer neuem Golde folgend, bis er auf der anderen Seite des Berges goldbeladen wieder ans Tageslicht kommt. Freudig eilt er zu Tal zu den Seinen, die nun aller Not und Sorge enthoben waren, aber er zeigt den Glücksort auch den Leuten in der Nachbarschaft, die nun alle gleich ihm den Schatz förderten und so den Bergbau ins Leben riefen.

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Auch in späterer Zeit eröffneten sich die Schätze am liebsten denen, die nicht eigens nach ihnen suchten, sondern mitten in ihrer schweren und mühsamen Arbeit gerade einen glücklichen Griff taten oder eben ihren Glückstag hatten. Von der überaus reichen Zahl solcher Geschichten, die im Tale noch erzählt werden, wollen wir einige jetzt wiedergeben.

Da lebte auch einmal auf dem Guggenstein ein Hirte, der, nachdem seine Herde im Stalle war, gern auf Heimgart zur Sennerin in die Nachbarhütte ging. Eines Abends war es später geworden als sonst und da gewahrte er auf dem Heimwege ein glühendes Kohlenhäufchen. Da dachte er wohl vergeblich nach, wer denn dieses Feuer gemacht haben könnte, denn außer ihm und seiner Sennerin war doch niemand hier heroben. Da griff er nach seiner Pfeife, um durch das Rauchen auf andere Gedanken zu kommen, stopfte sich eine an und dachte sich das mühsame Anzünden mit Feuerzeug und Schwamm zu ersparen, indem er mit seiner Gabel eine Kohle aufspießte. Aber der Tabak wollte nicht brennen. Da warf er im Zorn das Stück dieser ärgerlichen Kohle weg und mußte wieder sich wundern über den merkwürdigen Klang, der an helles Metall erinnerte. Für alle Fälle nahm er sich die Mühe, dieses Stückchen wieder zu holen und steckte es zu sich. Was war aber das für eine Überraschung, als er am nächsten Morgen dieses Stück betrachtete und lauteres Gold in Händen hielt. Nun eilte er allerdings zum Kohlenhaufen von gestern abends, aber soviel er auch suchte, er fand nichts mehr als Stein und Sand.

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In einer sternenhellen Nacht wurde einmal der Unterhaitzingbauer aus seinem Schlafe gestört, denn von der Straße her drang ein Geräusch, wie wenn der Weg gerichtet würde. Schnell war der Bauer auf dem Söller und sah auf dem Wege zwei Männlein in Bergmannstracht, deren einer grobe Steine beiseite schaffte, während der andere den geglätteten Pfad sorgfältig mit Sand bestreute. Im selben Augenblicke hatten aber auch die beiden den Bauer bemerkt und waren spurlos im Nu verschwunden.

Der Bauer wollte dem Gesehenen eigentlich keine Bedeutung beimessen, aber es litt ihn doch in dieser Nacht nicht bis zum Morgengrauen im Bette, sondern er mußte gleich sehen, was die beiden Bergmännlein gemacht hätten. Und siehe da, er war einer von den Glückspilzen, dem sie echten, feinen Goldsand vor seinem Hause hingestreut hatten.

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Auch in der Gegend der Klamm haben einige ihr Glück gefunden. So ein Müller, der ging von Lend herauf heim durch die Klamm. Als er zum Paß kam, sah er zu seinem Schrecken nicht fern vom Landsteig wunderliche graue Männchen. Trotzdem ihm nicht ganz geheuer war, schritt er ruhig weiter und als er an dem Platze war, wo er die Männlein gesehen hatte, ärgerte er sich wegen seiner Furcht, denn hier standen ganz gewöhnliche Getreidesäcke. Die hat sicher ein Fuhrmann, dachte er, dem der Weg zu steil und die Straße zu schlecht war, hier abgeladen, um sie später wieder zu holen. Da aber einer der Säcke unverbunden dastand, konnte der Müller es nicht unterlassen, mit der Hand eine Probe herauszunehmen. Staunend betrachtete er die Körner, denn so schweren Weizen hatte er zeitlebens noch nie gesehen. Er steckte noch ein paar Handvoll in die Taschen und eilte nach Hause, denn die Nacht brach schon herein.

Des anderen Morgens wollte er erst die Frucht fachmännisch beschauen, doch welche Freude ward dem Manne; jedes Weizenkörnlein war pures Gold; also waren es doch Bergmännlein, die ihm den Schatz hingestellt hatten. Aber jeder hat doch nur so viel Glück, als er alsogleich erfaßt; denn als er in aller Eile zur Stelle zurücklief, wo die Säcke standen, waren sie alle wieder weg.

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Ein andermal ging eine alte Frau mit einem Korb voll Bohnen nach Laderding. In der Nähe des Felsens, auf dem die Ruinen von Klammstein stehen, riß von dem schweren Korbe ein Tragband und zum Jammer der Alten lagen alle Bohnen im Kot der Straße. Da kam gerade ein Mann die Straße herab und als er die Frau mit ihrem Korbe sah, half er ihr, die Bohnen aufzulesen und gar bald war mit vereinter Mühe der Schaden wieder gutgemacht. Dankend ging das Weiblein ihren Weg weiter, er schaute noch einmal um und sah dabei noch einige Bohnen am Wege liegen. "Schade darum", dachte er, und steckte die besten in seinen Sack, steckte sich eine Pfeife an und ging vergnügt nach Hause.

Als er dort seine Bohnen herausholte, da gab es einen guten Tag. Feinstes Gold hatte er heimgebracht.

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Ein Wurzelgräber konnte von ähnlichem Glück berichten. Jahrelang war er schon durch die Wälder und Almwiesen bis hinauf auf die Felsgrate und durch die Schluchten gestiegen, Weg und Steg, Hänge und Wände waren ihm wohlbekannt. Da war er einst zur Mittagszeit auf die Leidalm gekommen, hatte Enzian und Edelweiß gefunden und gönnte sich nun bei Brot und Schnaps eine Mittagsrast. Da sah er plötzlich vor sich eine Bergwand aufragen, die er noch nie gesehen hatte. Neugierig drängte er sich durch das Strauchwerk hindurch und war nicht wenig erstaunt, an dieser Wand mitten im Sommer Eiszapfen herunterhängen zu finden. Da dachte er sich, die sind gerade gut, meine Wurzeln frisch zu erhalten, brach zwei Zapfen ab und legte sie zu den Wurzeln in seinen Korb.

Nun wurden weiter Wurzeln gegraben, bis gegen Abend der Korb schön voll war und er ans Heimgehen dachte. Daheim stellte er seinen Korb in eine Ecke und ging zur Ruhe. Am nächsten Morgen holte er den Korb hervor, um Wurzeln und Kräuter zu sortieren und als er auf den Grund kam, da hatte sich ein Wunder begeben, die Eiszapfen lagen als lauteres Gold im Korbe. Nun eilte auch er an den Platz, wo er den Fund gemacht hatte, aber auf der Leidalm sah es aus wie sonst; vergeblich suchte er nach der Wand und den Eiszapfen.

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Ein Jäger hatte auf den Höhen des Mallnitztauern einen schweren Gemsbock erlegt und schleppte ihn nun trotz seiner Last froh und munter zu Tal. Da fiel ihm, der hier doch jeden Stein am Wege kannte, ob es bei Tag war oder bei Nacht, eine mächtige Quelle auf, die er noch nie gesehen hatte. Durst hatte er genug und daher dachte er sich daran zu laben. Herrlich war der Trunk, hell wie Kristall und kalt wie Eis. Im Weitergehen mußte er aber immer wieder daran denken, wie diese Quelle so plötzlich dagewesen, aber rüstig schritt er aus und war bald in seinem bescheidenen Jägerhause daheim. Aber wie staunte er, als bei Einbruch der Dämmerung sein voller Bart hell zu funkeln begann und als er mit der Hand durch die Haare fuhr, ihm feinstes Gold an den Fingern haftete.

Nun war es ihm klar, er hatte aus einer Wunderquelle getrunken, die ihm den Bart vergoldet hatte. Auch er wollte wieder zurück, um reichlichere Ausbeute zu holen; er fand die Stelle zwar wieder, aber eine Quelle war nicht mehr zu finden.

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Einem Pinzgauer Jäger war auch in der Gastein das Glück geworden, reiches Gold zu finden. Der hatte beim Brautvater um die Tochter angehalten und war von diesem gerade nicht fortgeschickt, doch auf die Zeit vertröstet worden, wo er ihm einen Krug aus Gold bringen könnte. Das war für einen Jägerburschen allerdings ein Warten ohne Aussicht auf Erfüllung, denn woher sollte er so viel Geld erwerben.

Ganz traurig ging er daher in den Wald hinaus und klagte unter einem Kreuze dem Herrgott sein Leid; so schwer war ihm das Herz, daß er einschlief. Da sah er im Traume eine weiße Gemse, er sah sie von seinem Schusse fallen und als er näherging, bemerkte er an ihrem Laufe auch ein goldenes Ringlein.

Hochzeitsstimmung überkam ihn und so schlief er bis zum erwachenden Tage.

Dann ging er auf seine Pirsch ins Hochgebirg hinauf. Da traf er wirklich auf eine weiße Gemse und als er sie verfolgte, führte sie ihn bis hinein in die Gasteiner Berge, denn schon war es der dritte Tag, daß er dem Gemsbock ohne Rast folgte. Endlich war er auf hundert Schritte herangekommen, seine Büchse krachte und der Bock stürzte, aber fiel nicht in die Tiefe, denn er war mit einem Laufe in einer Felsspalte hängen geblieben. Doch jetzt kam erst die größere Überraschung: Aus der engen Spalte, in der das Tier sich verfangen hatte, glänzte lauteres Gold. Das war also noch der goldene Ring, von dem er geträumt hatte. Und wie alles, was er im Traume geschaut, in Erfüllung ging, so kam es auch zur Hochzeit mit seinem Schatz, denn jetzt hatte er Gold genug, um dem Schwiegervater einen goldenen Krug auf den Tisch zu stellen.

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Unterhalb der Türchelwände ging einst ein Hüter seinen Kälbern nach, die aus dem Hage ausgerissen waren. Seit Wochen war er dort oben umhergestiegen, daher war ihm jedes Stück Boden wohlbekannt. Darum staunte er aber auch, wie plötzlich ein Gerölle über den Weg lag, das er vorher nie gesehen hatte. Neugierig betrachtete er diese kleine Plaike, hob einige Steinchen auf und steckte sie in seine Tasche. Nach Tagen holte er sie wieder heraus und da staunte er; sie waren alle gelb wie Gold. Kaum getraute er sich an sein Glück zu glauben, aber ein Knappe, der des Weges kam, prüfte sorgfältig Stein für Stein und erkannte das wertvolle Metall.

Da wollten beide zu der Plaike hin, aber jetzt war sie wieder verschwunden und der Ort wie früher.

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Das Goldbrünnlein auf der Wiedneralpe brachte einmal einem alten Weiblein Glück. Müde von der Plage des Kräutersammelns hatte sie sich bei diesem Brünnlein zur Rast niedergelassen und als sie trinken wollte, sah sie im Brunnentrog ein Häuflein Sand, so gelb und glänzend wie Gold. Es war auch keine Täuschung, es war wirklich das edle Metall. Weil sie kein anderes Gefäß bei sich hatte, füllte sie ihr Schnapsfläschchen mit dem Schatze bis zum Rande, machte sich eilig auf dm Heimweg und steckte, um ja die Quelle nicht zu verfehlen, einen Fichtenast an den Platz. Den Rest des Goldsandes verdeckte sie mit einem flachen Steine.

In der Nacht fand sie vor Glück kaum einen Schlaf und schon vor Tagesanbruch war sie wieder auf dem Platze oben, hatte Krüge und Gläser mitgebracht, um den Schatz zu bergen. Aber die Mühe war umsonst. Wohl stoß die Quelle, aber das Gold war verschwunden.


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Damit sind aber nicht alle Geschichten, die von glücklichen Findern erzählen, festgehalten, sie mögen aber ausreichend sein, um erkennen zu lassen, wie die verschiedensten Leute aus dem Tale einmal Glück hatten. Fast allen gemeinsam aber ist der Zug, daß das Glück nur einmal lacht und dem Ahnungslosen in den Schoß fallt, dem Suchenden versagt es sich.

Dies zeigt sich auch in den folgenden Erzählungen.

Im Angertal am Schapbach ist im Walde ein Platz, an dem ein Zauberer einen Schatz vergraben hat. In der Thomasnacht wollte ein Hirte ihn heben und ging eben hinauf zur Stelle, als ihm ein Zwerg begegnete. Der war erstaunt, zu solcher Zeit einen Menschen zu treffen und fragte ihn, was er wolle. Nur schüchtern gestand der Mann seine Absicht, aber vorläufig war kein Grund zur Angst, im Gegenteil, der Zwerg bereitete ihn auf das Abenteuer vor, das ihm bevorstünde. Trotz schlimmer Aussichten faßte sich aber der Hirte ein Herz und drang in den Erdspalt ein. Beim Scheine seiner Laterne ging es eine Weile noch ganz gut, obwohl in dem eisig kalten Gange ihm die Glieder schlotterten und die Zähne klapperten. Aber Grausen überkam ihn, als er plötzlich ein schauriges Getöse vernahm und im selben Augenblicke schon ein Höllenhund aus ihn losfuhr. Hinter dem kamen schon Schlangen und ein Drache und, weil des Schrecklichen noch nicht genug, nahte auch unter Gekrach des Donners und Zucken der Blitze eine Schar von Geistern. Da verließ den Schatzsucher doch der Mut; eilends floh er aus diesem Höllenschlund und konnte dem Himmel danken, daß er noch ohne Schaden davongekommen war. Das Schatzsuchen war ihm von der Stunde an vergangen.

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Minder schrecklich läßt sich die Schatzsage von einem goldenen Pfluge auf der Dreiwallerhöhe vernehmen; ist doch dort ein gottgefälliger Ort. Unweit der Klamm erhebt sich ein Felsenkamm, das "Kögerl". Dort glänzt an besonderen Tagen in der hellen Sonne ein Trugbild, ein goldener Pflug. Wer nun einen solchen Tag erwischt, der sieht den Pflug und eilt natürlich dorthin, um ihn zu holen, aber sobald man nach ihm greifen will, weicht er zurück und man greift ins Leere. Sieht man ihn in die Erde versinken und will man ihm nachgraben, dann sinkt er langsam immer tiefer und tiefer, so daß wieder die Mühe vergeblich ist. So läßt der Gefoppte die Arbeit stehen und geht den Weg zurück, nicht ohne beim Umsehen wieder den Pflug an der alten Stelle blinken zu sehen.

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Liegt in dieser Sage ein feiner Spott auf die Schatzsucher, so gibt die folgende ein abschreckendes Beispiel.

Vom Naßfeld links ansteigend, erhebt sich eine mächtige Gletscherwand, die hohe Schneestelle genannt. Unter dieser Eismasse liegt nach der Sage ein reiches Goldlager verborgen, das nur in ungewöhnlich heißen Sommern zu Tage tritt. Das war einem kecken Burschen, dem Binder Seppl bekannt, der gern reich werden wollte. So stieg er hinauf und machte sich an die Arbeit, mit der Haue den Eingang zum Goldlager vom Eise zu befreien. Schon hatte er ein tüchtiges Stück Eis weggehauen und wieder holte er zu wuchtigem Schlage aus, da bekam er von unsichtbarer Hand einen so schweren Hieb auf den Arm, daß er die Haue fallen ließ. Gleichzeitig vernahm er aus der Tiefe die Stimme des Berggeistes, die ihm zurief: "Sei mit dem zufrieden, was du hast! Reichtum ist dir nicht beschieden, darum laß ab und komm nicht wieder, denn dann kostet es dich das Leben!" Da suchte der Seppl eilends das Weite. Allein das Verlangen nach dem Golde war zu stark; es ließ ihn nicht ruhen, bis er trotz der Warnung wieder oben am Gletscher stand. Er kam nicht wieder zurück. Wie er zugrunde gegangen, weiß niemand, aber nach Monaten fand man seine furchtbar verstümmelte Leiche in einer Schlucht, in die ihn der erboste Berggeist geschleudert haben mag.

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Die kleinen Bergmännlein sind aber manchmal auch gefällig und zeigen Schätze an, wenn sie gut gelaunt sind, oder wenn sie gefangen werden und in der Gewalt der Menschen sind. Das wollten einst zwei Bergknappen sich zu nutze machen. Als sie froh gestimmt einst gegen den Bockart hinaufstiegen, fanden sie am Rande des Bockartsees im weichen Moose an einen Stein gelehnt ein winziges Bergmännlein in bestem Schlafe. Leise schlichen sie sich heran und faßten den Zwerg mit festen Händen um die Mitte. Da gab es für den Kleinen kein Entrinnen mehr und er mußte sich bequemen, den Knappen einen Schacht zu zeigen. So führte er die beiden zu einer Spalte, aus der sie wirklich das Gold schimmern sahen. Als diese staunend standen, benützte der Wicht den Augenblick, in eine Spalte zu schlüpfen, um der Gefangenschaft zu entkommen und rief im Verschwinden noch zurück: "Auch ein Karfunkel liegt hier in der Nähe, wo er aber ist, das sage ich nicht."

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So reichlich die Goldadern durch Jahrhunderte geflossen waren, hatte der Erzsegen doch allmählich nachgelassen. Die Stollen waren ausgebeutet und neue nicht mehr gefunden worden, der Bergbau ging zurück und die Gletscher drangen auf den Höhen, wo Menschenhand nicht mehr waltete, immer weiter vor. Der Ertrag des Goldbaues entsprach nicht mehr den aufgewendeten Mühen und Mitteln und wurde schließlich fast ganz aufgegeben. Das Volk konnte nicht glauben, daß das alles auf ganz natürliche Weise vor sich ging, es machte sich seine eigenen Gedanken darüber, sah darin eine Strafe höherer Mächte für das manchmal gottlose Leben, dem sich Herren und Knappen ergeben halten.

So erklärt die Sage auf ihre Weise den Niedergang des Gasteiner Bergbaues.

An die Gegend des Bockart knüpft sich nun eine solche Sage. In den Tiefen des Bockartsees liegen, so berichtet die Sage, ungeheuere Schätze an Gold und Silber begraben. Einst war aber an Stelle des Sees ein herrlich fruchtbares Hochtal, aus jeder Felsspalte fast traten die edlen Metalle in Hülle und Fülle ans Tageslicht. Aber dieser Segen ward den Leuten zum Verderben; sie konnten ihren Übermut nicht mehr bändigen; besonders die Knappen schlemmten und praßten. Sie warfen mit silbernen Platten nach dem Ziele und tranken den Wein aus goldenen Krügen, waren grausam gegen die Armen und lästerten Gott, daß es aus der Art war.

Da ereilte sie die Strafe des Herrn. Von einem Tage zum anderen verschwand die grüne Landschaft unter Schnee und Eis, das bis zum Tale hinabflutete, und in der Talmulde entstand aus dem abfließenden Schneewasser ein See, der alles verschlang und auch die reichen Schätze an Gold in seiner Tiefe versinken ließ.

Kurz vor diesem Naturereignis war der Berggeist in Gestalt eines armen, müden Wanderers umgegangen und hatte um ein bescheidenes Lager für die Nacht gebeten, war aber überall ganz grausam abgewiesen worden, so daß sein Zorn ganz besonders war. Daher beschloß er, allen Bergsegen in der ganzen Gegend zu vernichten.

Es erschien alsobald nach dem Gottesgericht bei einem Viehhüter auf dem Naßfelde ein altes Männlein mit der Bitte, ihm für die kommende Nacht ein Paar Ochsen zu leihen. Gewarnt durch das Schicksal der Bockartleute, wagte er es nicht abzuschlagen und ließ das Männlein sich die zwei stärksten Ochsen aussuchen. Bald war dieses mit denselben verschwunden. Die ganze Nacht hindurch hörte aber der Hüter das Knarren von Rädern, wie wenn schwerbeladene Wagen in der Richtung zum Bockartsee fuhren.

Am nächsten Morgen stellte sich der Alte pünktlich mit den Ochsen beim Hüter wieder ein, übergab die Tiere und sagte kurz, den Lohn für das Leihen werde er an den Hörnern der Ochsen finden. Damit war jener verschwunden, als hätte ihn der Erdboden verschlungen. Der Hüter aber eilte in den Stall und sah dort zu seiner größten Freude, daß die Hörner in pures Gold verwandelt waren. Aber der Bergsegen hatte in dieser ganzen Gegend völlig aufgehört. Alles Gold der umliegenden Berge hatte der Berggeist in dieser Nacht in den See geführt.

Das Volk erzählt noch, daß im 16. Jahrhundert häufig Venediger zum Bockartsee kamen und sich daraus unheimliche Mengen von Goldsand, schuhlange Smaragden und mächtige Silberbarren holten. Einheimische wollten es ihnen nachmachen, mussten aber froh sein, mit dem Leben davonzukommen; Schätze fanden sie nicht.

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In dem dunkelgrünen Wasser des Bockartsees fehlen lebende Wesen, nicht ein Fisch ist seit den ältesten Zeiten gefunden worden. Auch dafür weiß das Volk einen Grund. Aus den Wassern tauchte einst ein ungeheurer Lindwurm in die Höhe. Schrecklich war sein Anblick, furchtbar das Wüten unter den Herden. Jeder Versuch, ihn im Kampfe zu bestehen, mußte vergeblich erscheinen. Da kam ein Knappe auf einen guten Gedanken. Er schlug vor, ein Faß mit Pulver zu füllen, dieses in eine noch frische Kalbshaut zu nähen und das Ganze in den See zu werfen, damit der Lindwurm es verschlinge. Wenn dann unter dem Feuerhauche des Drachens das Pulver sich entzünde, müsse es ihn zerreißen und man sei das Ungeheuer los. So tat man denn nach diesem Rate. Kaum spürte das Untier die leckere Beute, tauchte es auch schon auf und verschlang den Riesenbrocken. Bald hörte man auch den fürchterlichen Krach, mit dem der Drache zerrissen wurde. Aber von dem Dampfe des Pulvers ist seitdem der ganze See bis zum Grunde durchdrungen, so daß kein Fisch darin leben kann.

Eine andere Erzählung von dem Drachen im Bockartsee besagt, daß dieser, aus dem See auf-
tauchend, die Wasser derart bewegt habe, daß er den Wasserfall entlang ins Tal von Böckstein gestürzt sei. Dort schwamm er weiter bis zum Gasteiner Falle, aber dort ereilte ihn das Ende. Über die Felswände herabstürzend wurde er von den spitzen Felsen im Talgrunde aufgespießt und verendet von den Wassern der Ache bis hinaus auf die Wurmwiese bei Hundsdorf geschwemmt, die von dieser Zeit her ihren Namen hat.

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Nach dem Bockart hat das Angertal seine Ergiebigkeit ebenfalls durch die Schuld der Bewohner eingebüßt. Auch hier war es der Berggeist, der von dem Besitzer der Schapbachhütte ein Paar Ochsen auslieh und damit den ganzen Erzreichtum wegschaffte. Durch mehrere Wochen hatte er sich allnächtlich ein Paar ausgeliehen und endlich ohne jede Bemerkung die Ochsen eingestellt. Der Bauer dachte, es wäre wohl ein Wort des Dankes nicht zu viel begehrt und hatte auch ein Trinkgeld erwartet. Verdrossen sah er also im Stalle nach, ob die Tiere doch wenigstens gut beisammen wären. Da aber nahm er das Wunder wahr, daß seine Ochsen goldene Hörner trugen.


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Daß auch das Bergwerk am Silbereck stillgelegt wurde, das war das Werk eines bösen Weibes. Die alte Ruepbäuerin stand von jeher im Rufe einer Zauberin. Dagegen war ihre Tochter ein so hübsches und liebes Mädl, daß alle jungen Burschen sich eifrig um sie bewarben. Namentlich die Knappen vom Silbereck suchten ihre Gunst zu gewinnen. Die Mutter aber warf alle Freier mit groben Worten zur Türe hinaus. Die Knappen waren aber nicht so leicht abzuschrecken und setzten ihre Bemühungen bei dem Töchterlein fort.
Dem ein für allemal ein Ende zu setzen, griff die Alte zu einem Zaubermittel. Sie ließ eine Henne aus Eisen und eiserne Eier dazu machen, bestrich beides mit siedendem Pech und Schwefel, um den Rost vom Eisen abzuhalten und vergrub das Zauberwerk an verborgenem Orte. Von da ab verschwand plötzlich der reiche Bergsegen und das lustige Leben der Knappen hatte ein Ende. Sie mußten abwandern und das Töchterlein der Ruepbäuerin im Stiche lassen.

Längst ist kein Knochen von der Here mehr übrig, aber der Zauber liegt noch immer auf den Erzgängen des Silberecks und wird nicht eher schwinden, als bis es einem Sonntagskind gelingt, die Henne samt den Eiern aufzufinden oder doch der Rost sein Vernichtungswerk geübt hat.

Quelle: Gasteiner Sagen, Dr. Karl O. Wagner, Bad Gastein, 1926, S. 43 - 62.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Monika Maier, April 2005.