Die Weitmoser.
Die Geschlechter der großen Gewerken, die Weitmoser, Zott, Straßer,
Rosenberg, Katzl und Hölzl von Sillian, sind die Träger der
Geschichte des Tales in der Zeit des blühenden Bergbaues. Sie besaßen
ihre prächtig ausgestatteten Häuser im Markte Hof, der ob seines
Reichtums als goldenes Städtchen im ganzen Lande bekannt war. Heute
ist leider nur mehr das Weitmoser-Schlößchen in Hundsdorf so
weit erhalten, daß die vornehme Täfelung und einiger Hausrat
den ehemaligen Reichtum verraten, während die Häuser des Marktes
teils durch Brand zerstört, teils durch die Ungunst späterer
Zeiten nichts mehr von der alten Herrlichkeit verraten. Wer aber Gelegenheit
hat, in dem benachbarten Rauris ins Innere der alten Bauten zu blicken
und sich am Anblick der dort noch erhaltenen Täfelungen, Wandverzierungen
und kunstvoll gebauten Öfen zu erfreuen, kann sich eine Vorstellung
machen, um wieviel schöner das noch reichere Hofgastein gewesen sein
mag.
Die Erinnerung an die Namen der Gewerken ist nicht nur durch ihren Aufwand
für das eigene Haus lebendig, sie haben auch Bleibendes geschaffen,
wofür ihnen die Nachwelt auch nach ihrem Aussterben dankbar blieb.
Unter Führung des Hauses Strochner wurde das bis auf den heutigen
Tag bestehende Armenspital in Badgastein gegründet und zum ewigen
Erhalten ein namhaftes Kapital gestiftet. Die Weitmoser waren führend
im Bau der Straßen, sie bauten die Straße durch die Klamm
und die bequem ansteigende Straße von Hof- nach Badgastein auf dem
linken Ufer der Ache, da die alte über Gadaunern und Badbruck allzu
steil den Badberg hinanstieg.
Keines der Geschlechter aber kam zu solcher Blüte und Volkstümlichkeit
wie das der Weitmoser und es ist begreiflich, daß bei der Nachwelt
Geschichte und Sage ineinanderfloß. In der Tat ist es bedeutsam
genug, wie bereits der Enkel des bescheidenen Bauern aus Gadaunern zu
beinahe fürstlichem Ansehen emporstieg, nachdem der Großvater
den Beginn des Bergbaues gewagt hatte. Und ebenso verlangte das Volk nach
einer Erklärung des raschen Niederganges des Geschlechtes.
So greifen hier Sage und Geschichte eng ineinander.
Tatkraft, zähes Festhalten an dem Glauben an das Glück, Weitblick
und Einsicht in die natürlichen Verhältnisse legten den Grund
zum Aufstiege unter dem alten Erasmus Weitmoser. Er, der Häuslersohn,
klammerte sich an die Hoffnung auf Bergsegen und wagte all sein Vermögen
daran, den Goldgängen auf die Spur zu kommen. Aber das Glück
hatte sich nicht zwingen lassen, das ganze Geld war aufgebraucht und traurige
Ostern standen vor der Türe. Ungebrochen sah jedoch der Mann in die
Zukunft, obwohl nach vielem vergeblichen Anklopfen um Darlehen sich noch
nicht die geringste Aussicht auf Erfolg zeigte. Der Hausfrau aber legte
es sich schwer aufs Herz, daß die hohen Festtage mit dem treuen
Gesinde bei so kärglicher Tafel begangen werden sollten, so weit
die Mittel reichten. Da verkaufte sie - so berichtet die Sage - das Letzte,
was ihr an Wertvollem geblieben war, ihren Brautschleier, damit am Festtage
auf dem Tische der Braten nicht fehle. Ja, sie gab von dem Reste noch
ihrem Manne, damit dieser sich ein Schöpplein Wein vergönnen
und dabei die Sorgen um die Zukunft vergessen möge. Während
der Mann nicht wußte, daß seine brave Frau sich von dem Liebsten,
was sie noch besaß, getrennt hatte, um im Hause frohe Ostern zu
bereiten, war die Kunde hievon schon bis zu den Ohren des Erzbischofs
Leonhard von Keutschach gedrungen. Der vertraute dem ernsten Streben Weitmosers
und gab ihm ein Darlehen, das ihn in die Lage versetzte, den Bergbau zielbewußt
fortzuführen. Diesmal stellte sich der Erfolg rasch und so groß
ein, daß noch bevor das Darlehen völlig aufgebraucht war, ein
Erzgang von solcher Ergiebigkeit gefunden war, daß er binnen kurzer
Zeit nicht nur aller Schulden ledig, sondern der reichste Mann im ganzen
Tale war.
Auch im Bauernkriege stellte der alte Weitmoser seinen Mann; er stand
zwar auf der Seite der Aufständischen, wußte aber durch seltene
Geschicklichkeit die Sache so zu führen, daß ein größeres
Unglück zu vermeiden war. War er 1525 mit ausgezogen, konnte er im
unglücklicheren Jahre 1526 die Gasteiner zum Schutze der Gruben in
der Heimat zurückhalten.
Den Höhepunkt erstieg das Haus unter seinem
Sohne Christoph. In jungen Jahren war er von seinem Vater in die Fremde
geschickt worden, um in Deutschland, namentlich in Thüringen, mit
eigenen Augen die Betriebe kennen zu lernen und die neuesten Förderungsmittel
zu erproben. Man erzählt auch von einem Bergmanne aus dem Kreise
Luthers, den er mit in die Heimat brachte und der durch sein vorbildliches
Wesen sich ausgezeichnet habe.
Die Jugendgeschichte Christoph Weitmosers bringt die Sage in Zusammenhang
mit einem Bilde in der Kirche von Hofgastein, das eine aus der Gruft aufsteigende
junge Mutter mit dem neugeborenen Kinde im Arme zu Füßen der
Gottesmutter zeigt. Es ist das Altarbild des Strochner-Altares und hält
die Erinnerung an die wunderbare Rettung Edelindes von Strochner vom Tode
durch Bestattung als Scheintote fest.
Edelinde, die Jugendgespielin Christophs, war während seiner Abwesenheit
von der Heimat mit dem jungen Strochner verheiratet worden. Auch dieser
war ihm von Jugend auf von Herzen zugetan gewesen, doch die Freundschaft
schlug ins Gegenteil um, als die Frau zwischen den beiden stand. Eifersüchtig
verschloß Strochner sein Weib in seinem Schlosse Klammstein und
als plötzlich Weitmoser, der auf heimlichem Wege sich Einlaß
verschafft hatte, vor ihr stand, schlug die Unglückliche, die Mutterfreuden
entgegensah, leblos zu Boden. Jede Spur des Lebens schien von ihr gewichen,
fluchtartig verließ Weitmoser die Burg, der Burgherr wurde von Schmerz
über den Tod der geliebten Gattin und von maßlosem Zorne gegen
den Mörder seines Weibes erfaßt, so daß er ihm versagte,
am Leichenbegängnisse teilzunehmen. Feierlich war Edelinde zur Gruft
in der Kirche bestattet worden und lag schon zu ewiger Ruhe gebettet,
während die Trauergäste sich beim Totenmahle versammelt hatten.
Da erfaßte Weitmoser namenlose Sehnsucht nach der Geliebten. Er
drang in das Gotteshaus ein, öffnete die Gruft und fand den Sargdeckel
noch offen, denn der Mesner hatte sich diese Arbeit noch aufgespart, bis
er sich am Mahle gesättigt hätte. Als er Edelinde so vor sich
liegen sah, warf er sich über die Leblose und bedeckte sie mit heißen
Küssen. Da schlug diese, wie wenn der Liebende ihr Leben eingeflößt
hätte, die Augen auf, entsetzt blickte sie auf den Jugendfreund und
mit noch fürchterlicherem Entsetzen auf die Umgebung, in der sie
sich wiederfand. Sie wollte sich erheben, doch da zwangen sie die Wehen
nieder und im Sarge genas sie eines Knäbleins. Weitmoser hob Mutter
und Kind in seine Arme und trug sie hinaus aus dem Dunkel und der Kälte
der Gruft in die Kirche. Da trat ihm der Mesner entgegen, der durch den
Angstschrei herbeigerufen wurde und wollte schon zum Schlage gegen den
Leichenräuber ausholen, da senkte sich seine Hand, als er eine Lebende
in das Leichentuch gehüllt sah.
Während Weitmoser das Weib im Mesner-Hause bettete, war die Kunde
schon zu Strochner gedrungen. Wutentbrannt stürzte er hinaus, den
vermeintlichen Frevler mit dem Schwerte zu strafen. Doch auch dieser war
bereits auf dem Wege zu ihm. Im Kirchhofe trafen die beiden aufeinander.
Strochner mit dem Schwerte in der Hand, zum tödlichen Schlage bereit,
Weitmoser mit weitgeöffneten Armen, dem Freunde der Jugend das Glück
zu verkünden bereit. Noch klang es wie bitterer Spott an Strochners
Ohren, dann aber löste sich der Grimm und höchstes Glück
vereinigte die beiden Freunde für ewige Zeiten, als der Schrei der
jungen Mutter an das Ohr des Vaters schlug.
Am Bette Edelindes nahm Strochner sein Weib aus den Armen Weitmosers
neu in Besitz, Weitmoser war glücklich, die Geliebte seiner Jugend
dem Freunde für das Leben geschenkt zu haben.
Er selbst fand bald darauf in Berta Zott ein liebendes
Weib, eine starke, fast männliche Natur, doch in jungen Jahren vom
Geiste des Hochmuts befangen. So sehr sie sich auch ihrem Manne verbunden
fühlte und in mütterlicher Sorge ihre Kinder betreute, war im
Volke ihr Hochmut der jungen Jahre unvergessen, so daß die Sage
den Niedergang des Hauses als Last auf ihre Schultern legte. Es erzählt
das Volk: Einst ritt die Weitmoserin auf prächtig gezäumtem
Zelter, begleitet von einem Diener und ihrer Zofe, beide zu Pferde, durch
die Gasteiner Klamm. Da saß am Wegrande eine Bettlerin und hob hilfestehend
die mageren Hände um eine Gabe empor. Aber das stolze Weib hatte
nur Verachtung für sie und herrschte sie an: "Hinweg, freches
Bettelvolk!" Da fuhr der Zorn in die Bettlerin und verwünschend
rief sie der Weitmoserin zu: "Mäßige deinen Hochmut, denn
schon mancher, der in Reichtum schwelgte, mußte später betteln
gehen. Heute mir, morgen dir!"
Nur ein höhnisches Lachen hatte Frau Berta für diese Worte übrig,
dann zog sie wie gleichgültig einen kostbar gearbeiteten Ring vom
Finger, schleuderte das Kleinod in die Tiefe der Klamm, in der wild die
Ache schäumte und rief: "So wenig dieser Ring wieder ans Tageslicht
kommt, ebensowenig wird je eine Weitmoserin betteln gehen!"
Geraume Zeit nach dieser Begebenheit gab es auf dem Weitmoserschen Schlosse
ein großes Gastmahl, das zu Ehren der Gewerken veranstaltet wurde.
Küche und Keller gaben das Beste, auch Forellen, erst am Vortage
in der Ache gefangen, wurden aufgetragen, ein besonders schönes Stück
lag auf dem Teller der Hausfrau. Als diese den Fisch sorgsam teilte, fiel
aus dem Gehege der scharfen Zähne ihr Ring auf ihren Teller. Alles
war erstaunt, vermeinte besonderes Glück, den Ring wiedergefunden
zu haben, doch die Weitmoserin wurde totenblaß. Vor ihr stand die
Bettlerin im Geiste und sie selbst hatte das Schicksal beschworen.
Eine andere Überlieferung berichtet, daß der bedeutungsvolle
Ring erst nach Jahren, aber vom eigenen Sohne ins Haus gebracht worden
sei. Bertas Sohn war gleich dem Vater auf Reisen gegangen, war aber nach
Jahren der Wanderung nicht ohne eine Braut ins Tal zurückgekehrt.
Als sie eben durch die Klamm geritten waren, trafen sie an der Ache Goldwäscher,
deren einer dem jungen Edelmanne einen prachtvollen Ring, den er eben
aus dem Wasser gefischt hatte, zum Kaufe anbot. Dieser betrachtete den
Ring, freute sich nicht nur der schönen Goldschmiedearbeit, sondern
war überglücklich, als er in demselben den Namen seiner Mutter
eingegraben fand. Er wußte, daß diese ein besonderes Erlebnis
mit einem Ringe hatte, dessen sie nie froh gedachte und worüber sie
allen weiteren Fragen auswich. Nun sollte sie diesen Ring, denn um diesen
mußte es sich ja handeln, als Brautring am Finger der Schwiegertochter
wiedersehen.
Groß war aber die Enttäuschung; die Freude der glücklichen
Heimkehr war durch das Entsetzen getrübt, mit dem die Weitmoserin
ihren Ring erkannte. Zwar hoffte sie durch ein Leben voll Wohltaten den
Fluch zu bannen und hoffte immer und immer, auch die Bettlerin wieder
zu sehen, um sie zu versöhnen. Ihr selbst blieb der Niedergang des
Hauses wohl verborgen, aber schon ihre Enkel mußten daran glauben.
Trotz mancher Mißerfolge, die schon unter Christoph Weitmoser sich
zeigten, waren doch alle Gruben, die Weitmosersche Bergleute befuhren,
so ergiebig, daß der Wohlstand ins ungemessene stieg. Aber Christoph
Weitmoser wußte sein Geld vornehm zu verwerten. Wir sahen schon,
wie er für den Verkehr durch den Bau der Straße sorgte; er
war ein Freund und Helfer der Armen, dazu kam noch seine hohe allgemeine
Bildung, die er sich angeeignet hatte, er pflegte an feinem Hofe, wie
man ruhig sagen darf, Kunst und Wissenschaft und stand mit bedeutenden
Geistern Deutschlands in regem Verkehr. Der Nürnberger Meister und
Dichter Hans Sachs eignete ihm die große Ausgabe seiner Werke zu.
Die Feste, die in seinem Hause gefeiert wurden, trugen alle vornehmes
Gepräge und welcher Hochschätzung sich dieses erfreute, zeigten
die Persönlichkeiten, die um seine Töchter warben. Es sind die
Sprossen der alten Adelsgeschlechter der Preysing, Khevenhüller und
Haunsperger und ein Sohn des größten der Kaufmannshäuser
Deutschlands, ein Fugger. Den Reichtum zu ermessen, den Christoph hinterließ,
mögen die Summen dienen, die er den Töchtern als Aussteuer mitgab,
es waren für jede 75.000 Goldgulden und eine jährliche Zulage
von 5.000 Gulden. Bei seinem Tode schätzte man ihn auf mehr als eine
3Itillion Goldgulden. Es waren aber auch goldene Zeiten für das ganze
Tal, dessen Hauptort Hof zu Mitte des 16. Jahrhunderts mehr Einwohner
zählte als drei Jahrhunderte später das ganze Tal. Allerdings
darf nicht vergessen werden, daß außer dem Bergbau auch ein
blühender Handel mit dem Süden, der durch das Tal seinen Weg
nahm, den Wohlstand mitbegründete.
Aber die goldenen Zeiten dauerten nicht allzulange. Kaum zwei Jahrzehnte,
nachdem Christoph im Jahre 1558 heimgegangen war, war es mit dem Bergsegen
zu Ende und schon 1603 wurde der letzte männliche Sprosse, ein Christoph,
zu Grabe getragen, in das ein Jahr früher sein älterer, kinderloser
Bruder vorangegangen war. In diesem Jahre starb auch dessen Witwe, deren
Begräbnis zu schweren Folgen Anlaß gab.
Schon lange hatte die Lehre Luthers unter den Knappen sowohl wie unter
den Gewerken Eingang gefunden. Nicht alle Fürsten waren mit gleicher
Strenge gegen die Evangelischen vorgegangen, besonders in den Goldbautälern
hatte man ein Auge zugedrückt. Jedoch von Zeit zu Zeit waren schärfere
Saiten aufgezogen und je mehr der Bergbau nachließ, desto weniger
brauchte man Rücksicht zu nehmen. Nachdem bereits in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts einzelne Ausweisungen stattgefunden hatten,
war das Begräbnis der Frau Ursula Weitmoser, einer geborenen von
Moosham, das unter Absingung von deutschen Kirchenliedern nach dem evangelischen
Ritus gefeiert wurde, besonderer Anlaß zu Inquisitionen und Ausweisungen.
Wohl waren die Weitmoser längst nicht mehr so
reich als früher; der Aufwand für die Betriebe, wenn sie nicht
erfolgreich waren und doch nicht ohne jede Hoffnung fortgeführt wurden,
verschlang rasch das Vermögen, so daß der Fluch der Bettlerin
beinahe erfüllt erschien. Doch die Hochschätzung und Achtung
der Bergleute, namentlich gegenüber der Glaubensgenossin, war die
alte geblieben und so kam es, daß zum Begräbnis von Frau Ursula
ein mächtiger Zug sich in Bewegung setzte. Evangelische Kirchengesänge
ertönten, als der Trauerzug sich entlang der Kirchhofmauer gegen
Felding zu bewegte, wo am Ufer der Ache bereits mehrere Evangelische die
letzte Ruhestätte gefunden hatten. Da, als ein würdiger Greis
am offenen Grabe zum Volke sprach, sprengte eine Reiterschar vom Markte
her auf die Versammelten zu, versprengte die wehrlose Menge und hielt
strenges Gericht über die Abgefallenen, die in die Verbannung ziehen
mußten.
Hundert Jahre später ward an jener Stätte ein Armen- und Krankenhaus
für das ganze Tal gebaut.
Aber nicht durchwegs waren die Weitmoser im Volke in gutem Gedenken, denn
eine Sage erzählt, daß Christoph Weitmoser vor seinem Tode
einen besonders kostbaren Schatz an verborgener Stelle begraben und verzaubert
habe, womit wohl die Abnahme des Bergsegens mit erklärt werden sollte.
In ähnlicher Vorstellung mag auch begründet sein, wenn folgendes
erzählt wird:
In den Felsenschrofen des Gamskarkogels wurde wiederholt
ein alter Gemsbock mit mächtigem Bart gesehen, der, sooft ihn ein
Jäger aufs Korn nahm, rasch die Gestalt eines gut bekannten Gasteiners
annahm und so dem Tode entrann. Dieser Gemsbock soll nun ein Weitmoser
gewesen sein, der in diese Gestalt verzaubert, ruhelos in den Felsenklüften
herumstreifen und nach den versiegten Goldlagern suchen mußte. Ruhe
sollte ihm erst werden, wenn er diese gefunden habe.
In diesem Zusammenhang soll zum Schlusse noch eine Erzählung folgen,
die in unmittelbarer Beziehung zu geschichtlichen Tatsachen steht.
Der Gewerke Hans Maier, der noch einen besonders wertvollen
Stollen besaß, hatte eine Tochter des altangesehenen Gewerken Zott
zur Frau. Aber Frau Margarete war evangelisch, während ihr Gatte
katholisch geblieben war. So stand die Frau vor der Entscheidung, ihren
Glauben abzuschwören oder Mann und Kinder zu verlassen. Schweren
Herzens zog die Frau in die Verbannung, doch der Schmerz der Trennung
drückte ihr fast das Herz ab, so daß sie eines Tages plötzlich
und ganz geheim zurückkehrte, um Kinder und Gatten zu sehen. Aber
wachsame Späher hatten sie verraten, erbarmungslos von ihren Lieben
hinweggerissen und lange in harter Kerkerhaft gehalten, endlich für
immer des Landes verwiesen. Schweigend, mit starren Augen verläßt
sie den Kerker und erfährt, daß ihr selbst ein letzter Abschied
von den Ihren verwehrt ist.
Da faßt sie den Entschluß, mit den Knappen, die mit ihr in
die Verbannung gehen, die reichen Silberadern im Angertale zu verschütten
und zu verzaubern; dazu legte sie in den Schacht drei Eier und eine Gans
aus Eisen und ein hartes Brett aus Lärchenholz, auf daß solange
den Eingang niemand finde, bis Holz und Eisen zu Staub zerfallen wären.
Dann wurde der Schacht vermauert und mit Schutt bis zur Unkenntlichkeit
bedeckt.
Dann ging sie ins Elend, in die Verbannung.
Den Stollen wollte schon mancher suchen, aber vergeblich.
So ist auch hier in der Sage das Streben des Volkes zu erkennen, das schnelle
Verarmen mächtiger Geschlechter auf das Schalten ihrer Angehörigen
selbst zurückzuführen, wie anderseits das Volk die Schuld auch
auf sich nimmt, wenn es erzählt, wie Übermut von himmlischer
Gerechtigkeit bestraft wird.
Quelle: Gasteiner
Sagen, Dr. Karl O. Wagner, Bad Gastein, 1926, S. 96 - 110.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Monika Maier, April 2005.