Der tote Fürst

Als Wolf Dietrich, der machtvolle Fürst und große Bauherr, nach fünfjähriger Haft in seiner eigenen Festung Hohensalzburg im Jahre 1617 verstorben war, wurde er in der Gabrielskapelle zu St. Sebastian beigesetzt. Diese hatte er sich noch zu Lebzeiten errichten lassen. Bald darauf aber verbreitete sich im Volk das Gerücht, der tote Erzbischof sitze aufrecht in der Gruft, mit Prunkgewändern angetan, und halte Baupläne und Stiftungsurkunden in seinen Händen. Diese Sage ging bis weit nach den Franzosenkriegen um.

Noch Zillner berichtet 1860/61 in den „Mitteilungen der Salzburger Landeskunde“, daß „vor einiger Zeit“ - also vermutlich in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts - das Grab geöffnet worden sei und sich Beweise für die alte Sage gefunden hätten. Zwei an der Wand lehnende Holzstücke schienen Überreste eines Sessels zu sein, darunter lag ein Häufchen Moder und Asche und davor ein mit schweren Goldfäden besticktes Paar purpurner Seidenhandschuhe. Der Fürst hatte sie dereinst vom Erzbischof von Bologna zum Geschenk erhalten. So weit also Zillner. Die Handschuhe wurden bei dieser Graböffnung dem Salzburger Museum Carolino Augusteum übergeben, wo sie heute noch aufbewahrt werden.

1967 wurde das Grab wieder geöffnet, um im Zuge der Renovierung des gesamten St.-Sebastians-Friedhofes in der Gabrielskapelle auch die Gruft Wolf Dietrichs neu zu gestalten. Man fand nun folgendes: Damals, vor mehr als hundert Jahren, als eben das Betonieren als eine neue Erfindung galt, hatte man eine Art kleinen Sarkophag - eigentlich nur ein größeres Steinkistchen - geformt und die noch vorhandenen Gebeine darein gebettet. Dieses erwies sich nun 1967 gleichfalls wieder als zerfallen, und so wurde jene endgültige Form der Umbettung gefunden, wie sie sich heute dem Besucher präsentiert und wie sie des großen Erzbischofs würdig ist.

Für eine seinerzeitige Bestattung in sitzendem Zustand aber fanden sich keine Hinweise.

Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 23.