27. Aus dem oberen Kainachtal.
Zwei Brotlaibe — ein Bauernhof.

Etwas südlich des hochragenden Schlosses Alt-Kainach, das noch jetzt bewohnt ist, stand ehemals das alte Schlößchen Klein-Kainach, auch Holleneckerhof genannt. Vor hundert .lahren waren noch Mauerreste vorhanden, die heute auch verschwunden sind.

Ganz in der Nähe — an der Straße — steht das Schmiedbauernhaus. Im Vorhaus stand früher ein weißer, etwa 95 Zentimeter hoher Marmortisch; aus der Tischplatte waren zwei ,,Brotlaibe'' von je 45 Zentimeter Durchmesser und etwa 3 ½ Zentimeter Höhe sauber herausgemeißelt. Über die Entstehung dieses merkwürdigen Steintisches wird folgendes erzählt:

Einst herrschte in dieser Gegend eine fürchterliche Hungersnot, so daß viele Menschen elend sterben mußten. Als die Not aufs höchste gestiegen war, verkaufte der Besitzer des Hauses sein Anwesen um zwei Laib Brot, nur um sein nacktes Leben zu retten. — Der Tisch mit den eingemeißelten steinernen Brotlaiben sollte die Nachwelt an diese fürchterliche Notzeit erinnern. 1869 brannte das Haus ab, wobei das Tischchen in der Hitze zersprang. Die Trümmer wurden im Neubau eingemauert.

Quelle: Was die Heimat erzählt, Die Weststeiermark, Das Kainach-, Sulm- und Laßnitztal. Herausgegeben von Franz Brauner. Steirische Heimathefte. Graz 1953.
© digitale Version: www.SAGEN.at