6. Aus der Vergangenheit des Kainachbodens.

Der ganze obere Kainachboden samt den Nebentälern war bis zur Enge Krems-Gaisfeld vor vielen hundert Jahren ein weites Seebecken, bis sich dann mit der Zeit das Wasser heutige Kainach die durch den Querriegel, auf dem die Ruine Krems thront, einen Weg durchs untere Kainachtal zur Mur bahnte. Dieses Gebiet war schon in vorgeschichtlicher Zeit von Menschen bewohnt. In der „Heidenhöhle“ des Zigöller Kogels und gewiß auch in vielen anderen Höhlen hausten Steinzeitmenschen, die mit ihren gewichtigen Steinhämmern und später mit Bronzewaffen den gewaltigen Höhlenbären und anderes Wild furchtlos erlegten. Der ganze Kainachboden gehörte zum Königreich Norikum mit der Hauptstadt Noreia, nahe dem heutigen Neumarkt. Die Noriker wurden um das Jahr 400 v. Chr. von den keltischen Tauriskern, die aus Gallien (Frankreich) kamen und bereits Eisenwaffen besaßen, unterworfen. Im Jahre 115 v. Chr. erschienen die germanischen Kimbern in Norikum, und die Taurisker riefen ihre südlichen Nachbarn — die Römer — zu Hilfe. Es kam zur Schlacht bei Noreia, wo das römische Heer nahezu vernichtet wurde. Die Kimbern verließen trotzdem Norikum, und die Römer besetzten allmählich das ganze Königreich.

Sie bauten vorzügliche Straßen, an denen Poststationen und Städte entstanden (Cilli, Pettau, Flavia Solva bei Leibnitz), sorgten für regen Handel und Verkehr und brachten Norikum zu hoher Blüte. Im Oswaldgraben nördlich Köflach gab es römische Marmorbrüche; die Blöcke wurden gleich an Ort und Stelle von Werkleuten bearbeitet, um dann mit schweren Lastwagen talaus — zumeist nach Flavia Solva — befördert zu werden, wo sie als Bausteine und Grabplatten Verwendung fanden. Die zahlreichen Grabhügel von Gallmannsegg, die Römersteine von Voitsberg, von Puchbach bei Köflach, von Piber, Geisttal, Stallhofen, Mooskirchen usw. beweisen ebenfalls, daß norisch-römische Ansiedler hier tätig waren.

Wallfahrtskirche Heilbrunn © Harald Hartmann

Blick von Heiligen Wasser nach Westen auf die Steinbrüche von Gallmannsegg.
Heute werden hier jährlich bis zu 30.000 Kalksteinsplitte und -kiese abgebaut.
© Harald Hartmann, September 2009

Diese hoch entwickelte römische Kultur ging dann in den Wirren der Völkerwanderung zugrunde, weil durch fast 200 Jahre verschiedene Völker unser Land als Durchzugsgebiet benutzten, so daß es mit der Zeit verödete. In diese menschenarmen Gebiete wanderten dann aus Süden und Südosten die Slawen oder Wenden (Windische) ein. Sie wurden von den wilden Awaren, die sich als Nachfolger der Hunnen im heutigen Ungarn niedergelassen hatten, bis zu den Drau-und Murquellen getrieben. Viele Berg-, Fluß- und Ortsnamen erinnern noch heute an ihre Anwesenheit. Z. B. Laßnitz = Waldbach, Preding = Vorderbach, Oisnitz = Erlenbach, Lobming (lom) = Steinbruch, Landsberg = Auland usw. Tregist kommt vom Personennamen Trebigost und Edelschrott ist vom Sippennamen Gelen (Gelenschrot.) abzuleiten.

Ob auf Voitsberger Boden eine größere römische oder noch ältere Siedlung jemals bestand, ist nicht erwiesen. Nach 800 wanderten die ersten bayrischen Bauern in unser Land ein, wurden hier zwischen den Slowenen seßhaft, rodeten die Wälder, bauten feste Häuser und lebten von Landwirtschaft und Viehzucht. Die Slowenen wurden im Laufe von Jahrhunderten auf die heutigen Sprachgrenzen zurückgedrängt. — Im Jahre 1000 schenkte Kaiser Otto III. das ganze weite Gebiet rund um Voitsberg dem in Graz ansässigen Markgrafen Adalbero (Eppensteiner), den dann sein Sohn Markwart beerbte. In dieser Zeit entstanden hier zwei Kirchen: zuerst Piber (St. Andrä) und etwas später St. Margarethen (1013), an der Einmündung der Tregist in die Kainach gelegen. Letztere ist die älteste Pfarrkirche von „Voitsberg", das damals allerdings noch nicht bestand, denn die Siedlung dortselbst hieß Zederniza. Das Gotteshaus St. Margarethen wurde 1860 wegen Baufälligkeit gesperrt und 1890 abgetragen; es lag immer außerhalb der Stadtmauern. — Ungefähr zur gleichen Zeit entstanden auch die längst verschollenen Festen Primaresburg ob Lankowitz und die Dietenburg bei Krottendorf auf dem Dietenberg. Herzog Heinrich III. von Kärnten, der Sohn Markwarts, schenkte die Pfarre Piber und große Teile des Bezirkes Voitsberg dem Kloster St. Lambrecht (1103).

Quelle: Was die Heimat erzählt, Die Weststeiermark, Das Kainach-, Sulm- und Laßnitztal. Herausgegeben von Franz Brauner. Steirische Heimathefte. Graz 1953.
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