27. Aus dem oberen Kainachtal.
Von der Pest.

Vor vielen Jahren pflegten die jungen Leute aus dem Dorf Kainach an Samstagabenden auf dem Pfarrerkogel spazieren zu gehen. Wieder einmal — es war Frühling — kamen Burschen und Mädchen in einem Bauernhaus zusammen, wo lustig gesungen wurde. Als sie von der Höhe ins Tal hinabschauten, sahen sie mit Schrecken, daß alle Gräber im Friedhof mit Kerzen beleuchtet waren. Daraufhin liefen sie rasch nach Hause. — Einige Tage hernach brach die Pest aus, und alle jungen Leute, die an der Gesellschaft teilgenommen hatten, fielen der Seuche zum Opfer, freilich auch andere Menschen. Vom „Wölferl" bis zur „Spitzhammersäge" sollen Pestleichen gelegen sein.

Als der Pfarrer von Kainach einmal gerade viele Leichen einsegnete, begann ein Bauer die Pest zu lästern und zu verfluchen. Plötzlich rief eine unheimliche Stimme: „Drei Menschen müssen noch ihr Leben lassen!" Und so geschah es auch, und nachdem drei Menschen gestorben waren, erlosch die Pest. — Hernach brach aber eine Hungersnot aus, und wieder mußten viele Menschen sterben. Manche Leichen hatten Gras im Mund, das die Hungernden gegessen hatten.

Quelle: Was die Heimat erzählt, Die Weststeiermark, Das Kainach-, Sulm- und Laßnitztal. Herausgegeben von Franz Brauner. Steirische Heimathefte. Graz 1953.
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