20. Sagen vom Zigöllkogel bei Köflach.

Aus dem weiten, fruchtbaren Tal von Köflach erhebt sich steil und schroff der Zigöllkogel. Wie eine geballte steinerne Riesenfaust trotzt er in die schöne Landschaft hinaus. Nur seicht liegt auf seinem wuchtigen Felsenleib das spärliche Erdreich, und die Bäume müssen mit ihren Wurzeln tief in die Spalten und Schrunde des Gesteins eindringen, um nur halbwegs festen Halt zu finden.

Um die zerrissenen Felswände kreisen Habichte und Falken, die dort irgendwo ihren Horst haben. Abends schleicht der Fuchs durch den schütteren Wald, und nachts streicht lautlos die scheue Eule über die Zacken und Wipfel. —

Betritt man eine der zahlreichen Höhlen des Berges, so hört man bald ein geheimnisvolles und seltsames Rauschen. Gleichmäßig fallen die Tropfen von der Höhlendecke, und immer stärker, wie fernes Murmeln, tönt es aus dem Innern der Höhle heraus. Die Wände fühlen sich naß an, und dringt man tiefer ein, so wird das Murmeln zum Rauschen und schließlich zum tosenden Brausen. Plötzlich spiegelt sich das Licht der Lampe oder Fackel in einem eilig fließenden Wasser, das bald in einem engen Schlund verschwindet. —

Da geht nun von altersher rund im Land die Sage, daß sich im Innern des Zigöllkogels ein gar gewaltiger See befände. Olme, Grundeln und stachelige Fische leben darin, und an den Ufern treiben sich scheußliche Molche und Salamander umher, alle blind als Geschöpfe ewiger Nacht. — Die Wasserflut wächst von Jahr zu Jahr an, und oft brausen fürchterliche Stürme heulend durch die finsteren Gewölbe und peitschen das Wasser auf. Wild schlagen die Wellen gegen die festen Felswände, als wollten sie diese durchbrechen. Noch ist nicht die Zeit gekommen! — Aber nicht allzu fern mehr ist der Tag, wo mit furchtbarem Krachen die Felswände zerbrechen werden: der Berg stürzt ein! Das Wasser im Berginnern wird wie eine neue Sintflut sich über das blühende Land ergießen und alles vernichten. Das Köflacher Gebiet wird wieder zum Meer werden wie in altersgrauer Vorzeit.

Im Zigöllkogel gibt es auch eine Drachenhöhle, die im Innern mit riesigen Wassermassen gefüllt ist. Von der Decke hängt ein langer Goldzapfen herab, den ein scheußlicher Lindwurm bewacht. Wenn ein Mensch den Zapfen einmal herausbricht, dann wird der Lindwurm vor Zorn mit seinem eisenharten Schwanz die Höhlenwände zertrümmern, das Wasser wird wie eine Sintflut herausströmen und den ganzen Kainachboden in ein weites Seebecken verwandeln.

Quelle: Was die Heimat erzählt, Die Weststeiermark, Das Kainach-, Sulm- und Laßnitztal. Herausgegeben von Franz Brauner. Steirische Heimathefte. Graz 1953.
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