8. Bestrafung von Frevlern

Die Bestrafung von bösen, unsozialen oder gotteslästerlichen Menschen kommt in vielen Sagen, Märchen und bereits bilblischen Überlieferungen vor und dürfte ein weit verbreitetes Sagenmotiv sein. Neben tiefenpsychologischen Deutungen und dem Mittel der moralischen Unterweisung könnten zumindest einige solcher Sagen auch noch andere Hintergründe haben. Bei den beiden Sagen vom braven, frommen und vom übermütigen, lebenslustigen (und damit im christlichen Sinne unmoralischen) Mädchen könnte auch noch einmal ein letzter Rest der Konfrontation zwischen dem eher lebensbejahendem und lebenslustigen Heidentum und dem Sinnesfreuden eher abgeneigten Kirchenchristentum nachklingen. Zumal ja der Teufel, der die lebenslustige Sennerin holt, an den gehörnten keltischen Jagdgott erinnert, welcher in der jährlichen rituellen Fruchtbarkeitserneuerung der jungen lebenfrohen Frühlingsgöttin symbolisch nachstellt, was im keltischen Frühlingsfest „Beltaine“ zuweilen von unseren Vorfahren auch sehr handfest praktiziert worden sein dürfte. Solche Kulte wurden natürlich in den späteren Überlieferungen verzerrt dargestellt und „verteufelt“, die „Guten“ waren also nur noch jene, welche solche Kulte nicht praktizierten und sicherheitshalber auch gleich jeder Sinnesfreude entsagten. Wir können uns also nicht mehr bei allen derartigen Sagen und Märchen so sicher sein, wer nun wirklich die Guten sind....

Der Hintergrund der Sage vom bösen Holzmeister könnte einen historischen Kern haben. Erstens ist der Ort historisch belegt, die Reste der alten Holzklause im Klausgraben sind für geübte Augen noch heute zu erkennen, zweitens waren die Arbeitsbedingungen der Holzarbeiter in historischer Zeit von Unterdrückung und extremer Armut gekennzeichnet. So könnte es schon sein, dass ein realer Arbeitsunfall, bei dem ein unbeliebter Vorgesetzter ums Leben kam, legendenhaft als Strafe des Himmels interpretiert wurde.

Die Sage vom ewigen Schuster könnte ein symbolischer volkstümlicher Erklärungsversuch für die Heimatlosigkeit der Juden sein, denen ja bis heute der „Christusmord“ vorgeworfen wird, denn in manchen in ganz Europa verbreiteten Überlieferungen dieser Sage ist der Schuster ein Jude. Schuster waren früher oft Wanderhandwerker, viele Wanderhandwerker dürften auch Juden gewesen sein. Im Prinzip handelt es sich hier um ein latent antisemitisches Sagenmotiv. Das Motiv, dass nach dreimaliger Durchwanderung der Welt oder anderen unendlich langwierigen Vorgängen die Endzeit naht, ist ebenfalls weit verbreitet.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch