8.3 Der böse Holzmeister im Klausgraben

In der wilden Schlucht des Pass Stein, die heute vom Salzastausee gefüllt ist, mündet am Westufer der Klausgraben in den See. Diesen Graben benützte man früher zum Holztriften.

Die Baumstämme wurden dort einfach ins Bachbett geworfen und das Wasser hat sie dann in die Salza hinabgetragen. Weil aber der Klausgrabenbach für gewöhnlich zu wenig Wasser führte, baute man weiter oben quer durch den Graben eine feste Wehranlage mit einer großen Holztür in der Mitte. Diese Stelle heißt noch heute, obwohl längst nicht mehr getriftet wird, „in der Klaus“. Wenn die starke Holztür mit einem festen Riegel verschlossen wurde, konnte das von oben kommende Wasser nicht abfließen und staute sich hinter der Wehranlage. Inzwischen rollte man die Baumstämme ins leere Bachbett, und wenn genug Wasser aufgespeichert war, schlug der Holzmeister den festen Riegel aus der Wehrtür. Durch den Druck der aufgespeicherten Wassermassen öffnete sich die Türe plötzlich und das Wasser schoß nun mit furchtbarer Gewalt ins Tal hinab und riss die schweren Baumstämme mit sich ins Tal. So konnte man auf einfache und billige Weise das Holz ins Tal befördern.

Vor vielen Jahren war im Klausgraben ein roher und gottloser Holzmeister tätig, der aus purer Geldgier seine Seele längst dem Teufel verschrieben hatte. Er war auch ein rechter Leutschinder, der seine Holzknechte schlecht bezahlte und sie auch sonst recht unmenschlich behandelte. Als er eines Tages an der Wehrtür den Riegel herausschlagen wollte, war dieser so verklemmt, daß er nicht gleich heraussprang. Darüber wurde der Holzmeister so zornig, daß er fürchterlich fluchte und schließlich ausrief: „Heraus muß der verfluchte Riegel! Wenn nicht in Gottes, so in Teufels Namen!“ – In diesem Augenblick krachte die ganze Wehranlage und brach vollständig zusammen. Mit furchtbarer Gewalt schoß das aufgespeicherte Wasser alles mit sich reißend durch die Klamm hinab in die Salza. Einen gräßlichen Schrei haben die Holzknechte noch gehört, doch vom bösen Holzmeister wurde nicht einmal ein Knöchelchen gefunden.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch