12.5 Katzentanz im Megron-Stadel

In mancher Katze steckt, wie früher viele glaubten, eine Hexe. Der alte Bichlmoar hatte einen Knecht, der oft abends nach Rödschitz und spät in der Nacht wieder nach Hause ging. Einmal hörte dieser Knecht, als er wieder auf dem Heimweg war, eine Musik. Er blieb stehen und sah sich nach allen Seiten um. Nirgends im weiten Feld konnte er die Musikanten erblicken. Sie mussten also in einem nahegelegenen Heuschupfen, dem Megron-Stadel, sein. Er ging näher und sah jetzt auch Licht aus dem Stadel dringen. Durch ein Loch schaute er in das Innere des Stadels und was er jetzt sah, trieb ihm die Haare zu Berge. In einer Ecke saßen mehrere Katzen aufrecht auf ihren Hinterfüßen; mit den Vorderpfoten aber hielten sie Totenknochen, welche sie wie Musikinstrumente handhabten. Zwei von ihnen geigten, eine spielte den Bass dazu, eine andere blies die Trompete und wieder eine andere benützte ihren Knochen als Seitenpfeife. Die Musik, die sie mit den Totenknochen machten, war gar nicht so übel. Außer den musizierenden Katzen waren auch noch andere da und diese saßen an den Wänden herum und unterhielten sich anscheinend prächtig. Da trat ein großer Kater, den der Knecht recht gut kannte, da er dem Bichlmoar gehörte, ganz ernsthaft auf eine Kätzin zu, verneigte sich anständig vor ihr und bat sie um einen Tanz, den sie ihm auch gewährte. Das Katzenpaar schritt bis zur Mitte des Stadels vor, stellte sich aufrecht auf die Hinterfüße, umschlang sich mit den Vorderfüßen und tanzte lustig herum. Bald folgten auch andere Katzenpaare und so wurde in dieser Nacht ein regelrechter Katzentanz im Megron-Stadel abgehalten. Eine Zeitlang sah der Knecht dem sonderbaren Treiben der Katzen zu. Plötzlich jedoch überfiel ihn große Furcht und er suchte schleunigst das Weite.

Als die Bichlmoarischen am folgenden Morgen gerade bei der Suppe saßen, kam der Kater zur Türe herein. Niemand merkte ihm an, dass er in der vorigen Nacht einen flotten Ball besucht hatte. Erzürnt schrie der Knecht die Katze an: „Ludervieh, wo bist du gestern gewesen?“ Die Katze warf dem Knecht einen Blick zu, so hasserfüllt und glühend, dass es ihm heiß und kalt über den Rücken floss. Im nächsten Augenblick sprang die Katze zur Tür hinaus und von diesem Tag an hat sie kein Mensch mehr gesehen.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch