6.13 Eine strafende Lawine in der Christnacht

Draußen im Zauchner Berg stand vor Zeiten ein Gehöft, dort fingen die Leute in der Heiligen Christnacht an, Karten zu spielen. Das alte Mütterchen, das nur mehr langsam und auf einen Stock gestützt dahinhumpeln konnte, machte sich frühzeitig allein auf den Weg zur Kirche. Als sie nach der Mette wieder nach Hause ging, sah sie eine große Lawine den Berg herabfahren. Seit Menschengedenken war jedoch dort noch nie eine Lawine abgerutscht. Zugleich hörte die Alte ein Rufen und Schreien, als wäre die Hölle losgelassen. „Schieb an! Tauch an!“ rief es laut in den Tumult hinein, und diese Worte verstand sie deutlich trotz des Getöses. Sie blickte ängstlich hinauf zu dem Platz, wo ihr Heimathaus stehen sollte. Aber es war verschwunden, war von der Lawine fortgerissen worden. Wahrscheinlich waren die Bewohner durch das Spiel vom Kirchengehen abgehalten, und so eine Beute des Todes geworden. Keiner von allen wurde je wieder gesehen, weder tot noch lebendig. Das alte Mütterchen behauptete später immer, dass die Stimmen, die sie gehört hatte, Teufelsstimmen gewesen seien und der böse Feind das Haus samt seinen Bewohnern über den steilen Hang hinabgerollt habe. Das Haus wurde nicht mehr aufgebaut und heute hat man bereits seinen früheren Namen vergessen.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch