6.7 Die Wilde Jagd beim Schmied in Krungl

In der Zeit der Rauhnächte braust nach altem Volksglauben „Das wilde Gjoad“ (die wilde Jagd) durch die Lüfte. Nach Meinung einiger Leute sind das die Frauen, besonders die Wirtschafterinnen, die ihren Herrn betrogen und ihm das Leben schwer gemacht haben.

In Krungl, einem kleinen Dorf am Nordfuß des Grimming, befanden sich früher einige Schmieden. In einer dieser Schmieden wurde der Meister einmal mitten in der Nacht aufgeweckt; von einer Kundschaft, wie er zunächst annahm. Als er zur Schmiede hinunterkam, stand das wilde Gjoad da und ein Mann dabei. Er solle das wilde Gjoad beschlagen, befahl ihm der Mann, aber der Schmied willigte lange nicht ein. Da wurde der Mann fuchsteufelswild. Der Schmied traute sich nicht mehr „Nein“ zu sagen, griff nach seinem Handwerkzeug und schlug die Eisen auf. Als er den ersten Nagel einschlug, schrie das wilde Gjoad ganz jämmerlich auf: „Nicht so tief, Gevatter, nicht so tief!“ Der Schmied aber kannte die Stimme recht gut. „Ja Gevatterin,“ sagte er und unterbrach kurz seine Arbeit, „wie kommst denn du da her? Ich habe immer geglaubt, du hättest ein gottgefälliges und frommes Leben geführt, und als du gestorben warst, hätte ich dich ganz oben im Himmel vermutet.“ Der Mann, der beim wilden Gjoad stand, schrie aber jetzt den Schmied an: „Red‘ nicht lang und tu deine Pflicht!“ Dem Meister tat allerdings seine Gevatterin ziemlich leid. Er griff aber doch wieder zum Hammer und machte seine Arbeit fertig. Kaum war er fertig, hielt ihm der Mann einen Hut voll Dukaten hin als Lohn für die Mühe. Der Schmied aber nahm nicht mehr, als ihm von rechtswegen gebührte. Jetzt schaute der Mann wieder freundlicher drein und sagte: „Hättest du mehr genommen, als du verdient hast, hättest du mit mir gehen müssen. Ich aber fahre sehr schnell, schneller als der Sturmwind! Du wärst nicht so schnell voran gekommen wie ich, und ich hätte dich antreiben müssen mit meiner Geißel, antreiben bist zum Jüngsten Tag. Meine Geißel, die beißt und zwickt aber gar grausam. Wenn ich drinnen auf den Sarstein hinauffahre, wirst du einen Knall hören und dann kannst du erahnen, wie schnell mein Fuhrwerk geht.“ Als das wilde Gjoad fort war, trug der Schmied sein Handwerkzeug in die Schmiede. Als er wieder herauskam, hörte er schon einen Schuss drinnen auf dem Sarstein. Und jetzt wusste er, dass das wilde Gjoad schon im Ausseerland war und wie schnell es fährt. Einige Jahre später kam das wilde Gjoad wieder zum Schmied in Krungl. Der alte Schmied lebte aber nicht mehr und der junge, der die Geschichte von seinem Vater wusste, stand einfach nicht auf und ließ das Teufelszeug stehen, bis es weiter fuhr.

In historischer Zeit gab es in Krungl vermutlich zumindest zwei Schmieden, eine ist 1748 für Franz Lechner im Schmiedhäusl (Krungl 32) beurkundet, der Hausname „Schmied“ für das Haus Krungl 16 weist ebenfalls auf dieses Handwerk hin. Darüber hinaus spielt der Schmied auch als Gestalt des Nikoloumzuges und damit der Wilden Jagd eine Rolle, ferner haben Schmiede in frühgeschichtlicher Zeit große Bedeutung und sogar mystische Macht, die immer wieder in Sagen und Mythen in ganz Europa beschrieben wird.

Quelle: Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.
© Matthias Neitsch