Das erlöste Kind

Tief drinnen im Walde, am Fuße des Zeiritzkampels, wohnte einst ein armer Keuschler, der für eine zahlreiche Familie zu sorgen hatte. Da wurde ihm noch ein Kind geboren: es war gerade am Abend vor dem Dreikönigstage. Nun waren in der armseligen Hütte gar sieben hungrige Mäulchen zu stopfen. Der Mann wusste sich nicht mehr zu helfen, ging noch in der Nacht hinaus, um einen entfernten Nachbarn zu bitten, die Patenstelle bei seinem Kinde zu übernehmen. Wie er so dahinschritt und über seine traurige Lage nachdachte, begegnete ihm eine alte, armselig gekleidete Frau, der eine lange Reihe kleiner Kinder nachfolgte. Scheu trat der Mann zur Seite und ließ den Zug vorbeigehen. Das letzte Kind sah ganz besonders schwach und elend aus und hatte nur ein zerrissenes Hemdlein an. Da hatte der Mann Mitleid mit dem Kinde, und halblaut rief er aus: „O du armes Zodawascherl!“ Da lächelte das Kindlein glückselig. Die Frau Perchtl drehte sich rasch um und sagte: „Du hast das Kindlein erlöst, weil du ihm einen Namen gegeben hast. Nun wird es Ruhe finden und braucht nicht mehr mit mir ziehen. Das alles sind Kinder, die ungetauft gestorben sind. Ich danke dir, und deinen Lohn sollst du bekommen.“ Darauf verschwand sie samt Kinderschar, und der Mann ging beruhigt nach Hause. Schon am nächsten Tag kam ein reicher Mann in die Hütte, nahm die Patenstelle an und gab den Eltern ein überaus reiches Geschenk. Der arme Keuschler konnte sich von dem Gelde ein nettes Häuschen und einige Felder dazu kaufen, und da er fleißig und ordentlich wirtschaftete, wurde er bald reich und lebte zufrieden und glücklich bis an sein Ende.

Quelle: Auszug aus „Was die Heimat erzählt“ Steirische Heimathefte, Heft 6
Email-Zusendung Andy, März 2024