Eine Gräfin fährt zur Hölle

In einer der ältesten Sackgassen von Graz lebte einst eine Gräfin, die ebenso eitel wie häßlich war, denn ihre Gestalt war unansehnlich und ihr Gesicht von Blatternnarben entstellt.

Jedesmal, wenn sie sich im Spiegel betrachtete, und dies geschah sehr oft, verfluchte sie ihr Schicksal, das sie so benachteiligt hatte und bis jetzt keinen Freier hatte finden lassen.

Eines Tages jedoch kam ein feingekleideter, fremder Herr und hielt um ihre Hand an.

Sie willigte ein, die Hochzeit wurde festgesetzt, und die Gräfin erwartete nun ungeduldig den Tag, an dem sie ihr Bräutigam abholen sollte. Dieser erschien auch wirklich zur bestimmten Zeit in einer schwarzen Kutsche, die von sechs feurigen, schwarzen Pferden gezogen wurde. Voller Freude eilte die Gräfin zum Wagen, der Herr half ihr beim Einsteigen, die Tür flog zu, der Kutscher schnalzte, und in Windeseile, daß die Funken von den Hufen der Pferde stoben, verschwand das Gefährt in der Sackgasse nebenan und wurde nie mehr wiedergesehen.

Man erzählte später, als niemand in diesem Hause Ruhe finden konnte, der Teufel selbst habe die Gräfin geholt.

Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 147.