Die Wilde Jagd auf der Hohen Rannach

Wenn die Wilde Jagd über die Hohe Rannach daherstürmt, kommt sie meist vom Norden her durch den Augraben.

Die Leute vernehmen dann zur Nachtzeit in der Luft ein unheimliches Sausen und Brausen, vermischt mit vielerlei Tierstimmen und Menschengejammer. Eine Bäuerin stand eines Abends vor ihrem Haus, als sie ein fernes Windsgeheul hörte, das sich schnell näherte.

In diesem Augenblick schlug der Hofhund winselnd an und verkroch sich ängstlich in seiner Hütte.

Die Frau konnte gerade noch rechtzeitig ins Haus flüchten, da war die Wilde Jagd schon über dem Dach, riß an den Schindeln, fuhr klagend in den Kamin, rüttelte an Tür und Fensterläden und verschwand laut jaulend um die Hausecke.

Einem Knechte, der zu seiner fernen, im Rötschgraben wohnenden Geliebten gegangen war, begegnete einmal auf dem Heimweg die Wilde Jagd. In seinem Mutwillen rief er laut: „Schickt's mir a Fleisch z'Haus!“

Als der Knecht heimkam, lag vor seiner Tür ein halber, verwester Hase. Er vergrub das Aas, aber am nächsten Tag lag es wieder an derselben Stelle, und alle Versuche, den stinkenden Tierkörper zu entfernen, blieben vergeblich. Endlich erzählte der Knecht den ganzen Vorfall einem Geistlichen und zahlte eine heilige Messe, worauf das Aas verschwand und nie wiederkehrte.

Quelle: Hans von der Sann, Andritz und Umgebung.

Einst verspottete ein ungläubiger Knecht die Wilde Jagd, als sie gerade über das Haus brauste. Da warf der Wilde Jäger ein Menschenbein durchs Fenster in die Stube, und eine furchtbare Stimme rief:

„Hast gholfn jagn - sollst auch helfn nagn!“

Quelle: Franz Brauner, Die Raubritter von Ehrenfels.
In: Annemarie Reiter (HG.), Grazer Sagen und Geschichten, Graz 1996, S. 154.