DER HEILIGE WOLFGANG

Als der heilige Wolfgang noch in der Gegend der heutigen Steiermark die dort lebenden Heiden zum Christentum bekehrte, schlug er seinen Hauptsitz am Fuße des Wechselberges auf, von wo aus er seine Bekehrungszüge unternahm. Durch seine Menschenfreundlichkeit gewann er die Liebe und Anhänglichkeit der Heiden und verschaffte dadurch der christlichen Lehre Eingang. Er lehrte sie aber auch das Metall aus der Erde graben und es zu verarbeiten, insbesondere das in dieser, Gegend in großen Massen vorkommende Eisen, Er lehrte sie die Anfertigung von Äxten, Messern, Waffen und verschiedenen anderen Gegenständen zum Hausgebrauch. Er lehrte sie, zuerst mit eisernen Gerätschaften die Erde auflockern und bebauen und ward so der Begründer des steirischen Ackerbaues. Er grub Lehm, brannte ihn, lehrte sie ihre Hütten mit rohen Ziegeln aufführen und verband endlich die Ziegel mit Mörtel. Sein eigenes Haus war mit den mannigfachsten Holzgerätschaften versehen. Man fand bei ihm sowohl rohe, aus Brettern und Baumstämmen zusammengefügte Einrichtungsgegenstände als auch künstlerisch ausgearbeitete Schnitzwerke, als: Kruzifixe, Figuren und ausgeschnittene Bilder, deren man noch jetzt in dieser Gegend viele zeigt und von denen man sagt, sie seien vom heiligen Wolfgang gearbeitet. Unter ändern zeigt man in der Kirche des Dorfes Wolfgang am Wechselberg eine Axt, von welcher man folgendes erzählt: Der heilige Wolfgang hat, als er das dortige Eisen aus dem Boden grub, schmolz und schmiedete, als erstes Werkzeug diese Axt verfertigt. Damit hieb er Bäume nieder und machte daraus Bretter zu den verschiedenartigsten Hausgerätschaften. Er grub mit derselben Lehm und Eisen in großer Menge aus der Erde, er machte mit derselben einen Teil der Wälder urbar; er lichtete sie zum Teil umi bahnte durch die übrigen Waldstellen Wege zum Verkehr und förderte dadurch auch den Tauschhandel, vornehmlich mit Getreide. Als er so neben der Ausbreitung der christlichen Lehre auch für das leibliche Wohl gesorgt hatte, nahm er die Axt, bestieg den Wechselberg und warf sie ins Tal mit den Worten: "Nachdem ich euch also leiblich vereint habe, so soll euch auch ein geistiges Band umschließen; wo die Axt hinfällt, soll eine Kirche entstehen." Er stieg sodann ins Tal hinab, suchte seine Axt auf, und als er sie gefunden hatte, baute er mit eigener Hand ein Gotteshaus aus gebranntem Lehm auf, in welchem er die bekehrten Heiden alle Tage versammelte und wo er aus der Mitte der Neubekehrten einen Priester weihte. Darauf zog er nach Regensburg.

Man zeigt auf dem Wechselberg in einem Felsen noch Fußstapfen, von denen das Volk sagt, daß sie vom heiligen Wolfgang getreten seien in dem Augenblicke, als er die Axt ins Tal schleuderte.


Quelle: Theodor Vernaleken, Alpensagen. 1858