Dürnstein

In der Burg Dürnstein, scharf an der Grenze der Steiermark gegen Kärnten, hauste vor vielen Jahren ein Ritter ohne Furcht und Tadel, jedoch allzu nachgiebig gegen feine rechthaberische Frau. Eines Tages nun, als viele Ritter vorbei zogen, um gegen die Heiden in weiter Ferne zu kämpfen, und keiner in die Burg hinaufkam, war die stolze Rittersfrau unausstehlich, und als er sich aufraffte und ihr drohte, er werde sich den Scharen anschließen und auch gegen die Heiden in die Fremde ziehen, da halte sie für ihn nur das lieblose Wort: "Ja, geh nur! Geh!"

Und so ließ der Ritter sich sein Rößlein satteln und sah hernach auf sie hin, um wenigstens von ihr ein liebes Wort zum Abschied zu erhalten; doch vergebens, sie sah nicht von ihrer Handarbeit auf, und so ritt er ohne Gruß von bannen. Als er den Burghügel hinabritt, hieß sie ihre Kammerfrau, ihm nachzuschauen; denn sie war überzeugt, daß er umkehren und zurückkommen werde. Da er aber sich nicht einmal umwendete und über Friesach hinabritt, kam heimliche Reue über sie, — und die Reue wuchs und wuchs, und die Schloßfrau ward immer kleiner und schwächer.

So waren schon vier Jahre vorüber gegangen, und so mancher Ritter war aus dem Kriege mit den Heiden zurückgekehrt, aber der Dürnsteiner kam nicht; da weinte sie Tag und Nacht, und Nacht und Tag und Murde schwer krank und starb. — Doch noch immer sieht man in mondhellen Nächten ihre blendendweiße Gestalt durch die Trümmer der Burg irren und in öden Fensterhöhlen sitzen, und man kann ihr Jammern hören: "Er kommt noch nicht! Ach, er kommt noch nicht!"

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Eine Rittersfrau, die ob des wüsten Lebens ihres Gemahls, des Hans von Dürnstein, ganz verzweifelt war, hatte des öftern den Wut aufgebracht, ihn zur Rede zu stellen, und jedesmal hat er sie grob und rücksichtslos angeschrien. Einmal nun hatte er auch wieder mit gleichgesinnten Kumpanen ein Zechgelage, und in seinem Rausche erklärte er seinen Freunden, daß er sich heute noch eine Predigt anhören wolle. Da aber gerade heute seine edle Gemahlin nicht kam, so suchte er sie in ihrem Schlafzimmer auf und wollte sie bewegen, ihm vor der besoffenen Gesellschaft eine Predigt zu halten. Sie lehnte dieses ab; er Murde roh und wollte sie aus dem Bett herausreißen; sie aber entwand sich seinen Händen und floh hinaus in den Söller. Doch dieser, schon baufällig, stürzte ab und begrub die Frau tief unter der Burg unter seinem Schutte. Das Unglück erfüllte die ganze Burg mit Gejammer, und die Gäste drückten sich erschreckt. Von dieser Stunde an ging der Ritter in sich, er ließ an der Stelle des Unglücksfalles eine Kapelle erbauen und ward ein frommer und stiller Wohltäter der Armen.

Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 5.
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