Der sichere Schütz auf Eppenstein.

Im Jahre 1481 ward die Burgveste Eppenstein von den Ungarn belagert. Eines Tages kam der Anführer der Feinde mit mehreren höheren Kriegern an der westlichen Seite der Burg heran, um eine Stelle ausfindig zu machen, an der mit Erfolg ein Angriff ausgeführt werden konnte. Die wachsamen Burgleute bemerkten aber sogleich die Feinde, und der Burgherr begab sich sofort auf die Zinne des Schlosses, um die Feinde zu beobachten und nötigenfalls die entsprechenden Anstalten zur Abwehr des Angriffes zu treffen. Nahe an der Burg hielt der kleine feindliche Trupp an und ihr Anführer zeigte mit seinem Arm an eine für einen Angriff günstige Stelle. "Jörg," sprach da der Burgherr zu seinem neben ihm stehenden Leibknappen, der weit und breit als tüchtiger Schütz bekannt war, "könntest du dem frechen Fremdlinge da drunten nicht ein Denkzettel auf seine Hand geben?"

"Herr, das soll geschehen; hab manchen schweren Schuß getan," erwiderte ruhig der Knappe. Bei diesen Worten legte er einen Bolzen auf seine Armbrust, und wenige Augenblicke nachher durchbohrte das Geschoß die Hand des Ungarn. Der zuckte zwar, wich aber nicht von der Stelle. Da legte Jörg nochmals einen Bolzen auf seine treue Waffe, tat einen zweiten Schuß und mit durchschossenem Kopfe stürzte der Anführer der Feinde leblos zu Boden.

Der in der folgenden Nacht erfolgte Angriff wurde abgeschlagen. Die Feinde zogen ab, und die Burgleute freuten sich schon, der Bedränger los zu sein. Allein ihre Sorglosigkeit sollte sich bitter rächen. Die Feinde kehrten nach kurzer Zeit wieder zurück und überrumpelten die Burg. Der Eroberer hieß Kungfelder.
Als er auch Schloß Liechtenstein nehmen wollte, wurde er gefangen genommen und im Murflusse ertränkt.
(Pfeilstöckers handschriftliche Sagensammlung.)

Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 82.
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