Grafenschloß bei Ranten

Hinter Ranten bei Murau steht auf hohem Felsen ein gemauertes Bauernhaus, insgemein Graf genannt. Von dem erzählt sich das Volk folgende Sage.

Vor langen, langen Jahren hat auf der Grafenwand eine stolze Burg gestanden, drinnen hausten die Grafen von Freiberg. Einer von ihnen hatte ein Herz, so hart wie der Felsen, auf dem seine Burg stand. Seine Untertanen hatten schwer unter seiner Karte und Brutalität zu leiden. Wenn er nicht gerade auf der Bärenjagd oder auf einem Raubzug war, so ging es in feiner Burg wüst zu.

So war er auch einmal von einem Raubzuge schwer beladen mit Beute heimgekehrt und hielt mit seinen Kumpanen ein wüstes Trinkgelage im Rittersaal. Der Wein floß in Strömen und schauerliches Geheul drang durch die Gänge der Burg, und so mancher Zechbruder lag schon auf dem Boden schwer bezecht.

Plötzlich stand ein altes Weib, gehüllt in arme Lumpen, in der Witte des Saales und hob die dürren Arme dem Ritter bittend entgegen. Der betrunkene Graf sprang auf, sein Gesicht verzerrte sich in Wut und er schrie sie an: "Was will die alte Hexe hier? Wie ist sie hereingekommen?"

Die Alte erschrak, sie brachte nichts anderes hervor als die Worte: "Hunger, Brot."

Der Graf lachte hell auf, trat in ein anderes Gemach und gab, in einem Lappen gehüllt, ihr einen Gegenstand, der die Form eines Brotes hatte.

"Hier hast du, Hexe, und scher dich zum Kuckuck," fuhr er sie an. "Laß dich aber nimmer blicken, sonst geht es dir schlecht."

Mit vielen Segenswünschen verließ die Alte den Saal und humpelte hinaus auf eine halbzerfallene Hütte zu. In einer verräucherten Stube lag auf halb verfaultem Stroh ein junges sieches Weib, mit Lumpen bedeckt. Neben dem Bette kauerten sieben Kinderchen, teils nackt, teils nur in Fetzen gehüllt, ihre Gesichtchen waren fahl und mager, und die Kleineren nagten an ihren Fäustchen.

Da öffnete sich die Tür und die Alte trat ein und die Kinder umringten sie im Nu: "Bringst du uns Brot, Großmütterchen," klangs von allen Seiten.

Die Großmutter enthüllte das Paket, — doch welch ein Frevel! Anstatt des Brotes hatte er ihr einen Stein gegeben.

Ein müdes Schluchzen kam vom Bett her, die Kinder schrien laut auf, über das faltige Gesicht der Allen aber ging ein Zucken und in ihren Augen wetterleuchtete es. Sie trat vor die Hütte, hob die dürren Fäuste empor gegen die stolze Burg und ihre Lippen murmelten:

"Du harter Mann da droben, der du meine Tochter entehrt hast und nun Frevel auf Frevel treibst, über dich wird heute noch ein Gottesstrafgericht kommen. Die Felsen sollen sich auftun und dich mit deiner Sippe verschlingen."

Da ging ein Zittern durch den ganzen Berg, von der Burg her kam ein Donnern und ein Krachen, ein dichter Nebel oder Rauch qualmte empor, die Felsen öffneten sich und verschlangen die Burg samt ihren Bewohnern.

Quelle: Burgsagen aus Steiermark, P. Romuald Pramberger, Seckau 1937, S. 71.
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