DIE VERWUNSCHENE SCHWAIGERIN

Auf der Grebenzen, und zwar auf der Gunzenbergeralpe, soll in früheren Zeiten eine steinerne weibliche Figur zu sehen gewesen sein; die Leute heißen sie "die verwunschene Schwaigerin". Jetzt sind nur wenige Überreste mehr davon vorhanden; die Trümmer liegen weit und breit herum zerstreut und sind erkenntlich an ihrem den Honigwaben ähnlichen Aussehen.

Eine Schwaigerin in der Treibacheralpe hatte ein kleines Söhnchen, das, so jung es war, dennoch viele Grausamkeiten an wehrlosen Tieren ausübte.

Einst ertappte ein Jäger den Knaben bei einer derartigen Tierquälerei, und darüber erbittert, prügelte er denselben weidlich durch. Weinend lief der Knabe zur Mutter und erzählte ihr, wie ihn der Jäger mißhandelt habe. Darüber aufgebracht, eilte die Schwaigerin, welche gerade eine Maß Hirse in ihre Schürze getan, dem Jäger nach, der den Weg zum See eingeschlagen hatte, um in diesem zu fischen. Sie überhäufte ihn mit einer Flut von Scheltworten und schüttete endlich, um ihrem Zorne Luft zu machen, die Hirse aus ihrer Schürze in den See und rief. "So viele Körner ich hier in den See geworfen, so viele Jahre möge er ausgetrocknet sein!" Kaum hatte die Schwaigerin diese Verwünschung ausgesprochen, so begann der See merklich immer kleiner zu werden und endlich ganz zu verschwinden.

Entsetzt schlug der Jäger ein Kreuz und rief. "Weil du Satansweib den See verwunschen und dem Vieh das Wasser geraubt hast, so möge dich dafür der Teufel in Stein verwandeln!" Kaum waren diese Worte ausgesprochen, als auch schon die Schwaigerin zur steinernen Bildsäule geworden war. Der Jäger aber bekreuzte sich und eilte schleunigst von dannen.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911