RIESENSAGEN

Im steirischen Alpenlande wohnten einst viele Riesen. Da es ihnen gut ging, wurden sie übermütig und wollten gar den Himmel stürmen. Sie lagerten im Tale von Eisenerz und türmten hier mächtige Felsmauern auf. Da schleuderte der Donnergott einen ungeheueren Berg, ganz aus schwerem Eisenerz bestehend, auf die übermütigen Riesen herab und vernichtete so die tollen Himmelsstürmer. Auf solche Weise entstand der Erzberg bei Eisenerz; ihn hatte der Donnergott vom Himmel auf die Erde herabgeworfen. Noch findet man in dieser Gegend, wo der Kampf der Götter mit den Riesen stattgefunden hat, Scherben von ungeheueren Gefäßen, als Krügen, Schüsseln und dergleichen, welche die Riesen in ihrem Lager benützt hatten.

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Auf dem Schöckel hauste der Riese Vasold, welcher über die Stürme und Winde gebot und allen Unholden, insbesondere den Hexen, Spinnefeind war. Als diese einst auf der Höhe des Berges nächst dem sogenannten Schöckelloche den verderblichen Hagel brauten, um diesen über das ganze Tal auszuschütten und die jungen Saaten zu vernichten, kam Vasold, der Riese, und verjagte die heimtückischen und böswilligen Gehilfinnen des Teufels. Die Hexen verbargen sich in einem alten, verfallenen Turme am Fuße des Berges. Aber der Riese verfolgte sie auch bis hieher, hob den Turm in die Höhe und verscheuchte das Gezücht ganz aus seinem Reiche. Darauf wählten die Hexen den Hochstradnerkogel zum Lieblingsaufenthalte und führten hier ihre nächtlichen Reigen auf.

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An der Kirche und an dem Turme zu St. Georgen a. d. Stiefing sollen heidnische Leute, so wurden die Riesen auch genannt, gebaut und ein solcher Riese den ersten Stein dazugetragen und den Kalk mit Wein gelöscht haben.

Burg Neuberg © Harald Hartmann

Burg Neuberg am Fuße des Ringkogels
Die Burg Neuberg zählt zu den bedeutensten Wehrbauten der Steiermark.
©Harald Hartmann, Oktober 2007


Auch an dem Schlosse Neuberg und der Kirche Marie Lebing bei Hartberg bauten zwei aus Asien eingewanderte Riesen; sie hatten beide nur einen Hammer, den sie sich gegenseitig von den eine Stunde voneinander entfernten Bauplätzen zuwarfen. Zur Erinnerung an diese Riesen wurden an der Wand des einen, zur Kirche mit einer Lorettokapelle umgestalteten Turmes der Burg Neuberg zwei riesige, wilde Männer mit Keulen gemalt.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911