SAGE VON PERNEGG

Am linken Murufer, gegenüber dem Dorfe Pernegg, steht auf einer mäßigen Anhöhe das stattliche NeuSchloß Pernegg, überragt von den Trümmern der gleichnamigen, in alten Urkunden "Bärneck" genannten Burg auf einem höheren Berge.

Die Sage erzählt, daß ein Ritter, dem das Alt-Schloß gehörte, einst mit mehreren Genossen zur Jagd auszog. Gegen Abend ging ihm seine Gemahlin mit ihrem kleinen Söhnchen ein wenig entgegen. Da die Jäger nicht so bald, wie die Rittersfrau erwartet hatte, zurückkehrten, machte diese sich wieder mit dem Kinde auf den Rückweg in die Burg, verfehlte aber in der Dämmerung den Pfad und kam um den Berg herum bis ganz vorne in das Murtal an den Fuß des Hügels, welchen nun das Neu-Schloß schmückt. Der Knabe eilte der Mutter etwas voraus, um Blumen zu pflücken und einige Stäbe vom Buschwerke abzubrechen. Plötzlich trabte aus dem nahen Gebüsche eine Bärin heraus und stürzte sich mit lautem Gebrumme auf den Knaben. Dieser bewaffnete sich schnell mit einem Steine und einem Holunderzweige, während die verzweifelte Mutter mit der linken Hand ihr Söhnchen umschloß, mit der rechten aber ihren langen Schleier vom Haupte riß und ihn der wutschnaubenden Bärin entgegenwarf. Die Bärin, welcher vermutlich ein solcher Kopfputz etwas Seltsames war, wich ganz verdutzt zurück, versuchte mit den Vordertatzen den Schleier vom Kopfe zu reißen und eilte, da ihr dies nicht gelang, brummend den Berg hinan und gerade auf das Schloß zu. Aber an der Ecke der Burg traf das Tier mit der eben heimkehrenden Jagdgesellschaft zusammen und wurde vom Ritter getötet. Verwundert blickten die Jäger auf den seltsamen Kopfschmuck der Bärin, und als die Rittersfrau bald danach mit ihrem Knaben zurückkehrte und das Rätsel löste, beschloß der Burgherr, an jener Stelle, wo die Mutter durch den Schleier ihr Kind gerettet, eine Kapelle zu bauen. Die Burg selbst aber wurde seitdem "Bärnegg" oder vielmehr richtiger "Bärneck"genannt.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911