ST. MAXIMILIAN

Graf Ulrich II. von Cilli, der letzte seines mächtigen und reichen Geschlechtes, war in Belgrads Mauern den Schwerthieben seiner Gegner erlegen. Nicht weniger als 24 Bewerber traten nun auf und machten ihre Ansprüche geltend auf das reiche Erbe, auf die blühende Grafschaft Cilli. Obenan stand Kaiser Friedrich III., welcher selbst nach Cilli kam, aber hier in die Gefahr geriet, in die Gefangenschaft seines verräterischen Feldherrn Wittowitz zu fallen.

Es war Nacht. Der Kaiser befand sich einsam in einem Gemache der stolzen Grafenburg Ober-Cilli. Von Sorgen und Kummer erfüllt, blickte er zum Fenster hinaus auf die Gegend, auf das Städtchen Cilli an der Sann, über welches die Nacht ihre schwarzen Fittiche ausgebreitet hatte. Mit einem Male schlug Waffengeklirr an sein Ohr. Der Kaiser stutzte und gleich darauf hörte er den Ruf "Der Feind! Verrat, der Feind ist da!" Bald darauf stürmte Wittowitz, der seinem Herrn und Kaiser abtrünnige Feldherr, mit seinen Scharen in die Burg, um Friedrich III. gefangen zu nehmen. Doch der Kaiser hatte seine bedenkliche Lage, in der er sich befand, rasch erkannt, sich in Eile gerüstet und suchte nun das noch offene Tor an der östlichen Seite des Schlosses zu gewinnen. Aber er konnte den schutzverheißenden Ausgang nicht mehr erreichen; ein Flammenmeer trennte ihn von der Halle des Todes, der Estrich brannte und von der Decke stürzten glühende Balken herab.

Der Kaiser erkannte, daß ihm dieser einzige Ausweg versperrt war, und nun wollte er sich ritterlich dem Feinde entgegenwerfen und mit dem elenden Verräter Wittowitz kämpfen um seine Krone, um sein Leben. Da trat ein Greis an ihn heran, ein unbekannter Mann in alter, fremder Tracht, und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Der Kaiser fühlte ein ehrfurchtsvolles Grauen vor dem seltsamen Alten; er folgte ihm willig, und so schritten sie beide mitten durch die Flammen. Bald hatten sie die Gefahr glücklich hinter sich, da stellte sich ihrer Flucht ein neues Hemmnis entgegen. Die Brücke, über welche sie nun mußten, war aufgezogen und das Tor fest verschlossen. Der Kaiser glaubte an Verrat und zückte das Schwert; doch der Alte lächelte darüber, schwang dann mit der welken Rechten ein kleines Beil und führte damit einen leichten Schlag auf das Schloß. Da klang es wie ein Wetterstreich; es barsten die Flügel des Tores, die Ketten rissen entzwei, und klirrend senkte sich die Brücke im schweren Fall herab. Glücklich erreichten sie das Freie, und schon wähnte der Kaiser, jeder weiteren Gefahr entronnen zu sein, als plötzlich Hörnerklang ertönte. Ein Schwarm ungarischer Reiter sprengte auf die beiden zu, und von allen Seiten starrten ihnen feindliche Lanzen entgegen. Der Kaiser erbleichte, und neuerliches Mißtrauen gegen den Führer stieg in ihm auf. Aber der seltsame Greis blickte Friedrich durchdringend an und ermunterte ihn, ihm zu vertrauen und getrost zu folgen. Auf Geheiß des Greises dessen Mantel erfassend, durchschritt der Kaiser mit dem Alten den dichten Feindesschwarm, ohne daß sie gesehen oder erkannt und angehalten wurden. Als sie dann die Feinde hinter sich hatten, da hörte Friedrich noch einen der Ritter sagen: "Wenn der Kaiser auch im Schlosse dem Wittowitz entkommt, uns kann er hier doch nicht entkommen."

Endlich nahm das Dunkel des Waldes die beiden Flüchtlinge auf. Bei einem verfallenen Kreuze hielt der rätselhafte Führer an und sprach: "Die Euren sind Euch nahe. Lebet wohl, meine Zeit ist aus!"

Doch der Kaiser wollte nicht undankbar sein, und erfragte den Alten nach seinem Namen. Da erhellte überirdischer Glanz das Dunkel der Nacht; Kaiser Friedrich sah die ehrfurchtgebietende Gestalt des Greises wie in einen Nebel zerfließen, und eine unsichtbare Stimme sagte sanft: "Die Kirche nennt mich Maximilian!"

Nun wußte der Kaiser, wer sein Beschützer und Erretter gewesen, der hl. Maximilian, Bischof von Lorch, welcher in Cilli geboren und eben hier auch, da er sich geweigert, dem Standbilde des römischen Kriegsgottes Mars Weihrauch zu opfern, auf Befehl des Feldherrn Evilasius enthauptet worden war.

Nachdem die Gestalt des heiligen Blutzeugen verschwunden war, wartete der Kaiser das Herannahen der Seinigen, des steirischen Feldherrn Ulrich von Schaumburg und dessen Heeres ab, mit deren Hilfe es Friedrich III. bald wieder gelang, Burg Ober-Cilli zurückzuerobern.

Zum Danke für die wunderbare Rettung aus dem brennenden Schlosse und aus der Feindesgefahr erbaute Kaiser Friedrich III. an der Stelle, wo sich ihm der hl. Maximilian offenbart hatte und dann vor seinen Augen verschwunden war, ein Kirchlein. Und als ihm bald danach ein Thronerbe geboren wurde, ließ er diesen zu Ehren des Heiligen auf den Namen Maximilian taufen.

Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911