Vom seligen Bischof Hartmann

Der heiligmäßige Bischof Hartmann war von Geburt ein Bayer und ehrsamer Bürgersleute Kind, hat Profeß getan bei den Augustiner-Chorherren zu Passau und durch Tugendbeispiel und Frömmigkeit allen so vorgeleuchtet, daß er nach verschiedenen Orten berufen worden, um die dortigen Klöster in rechten Stand zu bringen. Der heilige Leopold, Markgraf in Österreich, machte Hartmann zum Propst und Vorsteher von Kloster Neuburg. Da geschah es einmal, daß Hartmannus inmitten der Klostelherren geistlicher Lesung oblag, darin aber unversehens abbrach und aus dem Kloster ins Freie lief, um etlichen Brüdern, die nahebei in einem Nebenhause arbeiteten, zuzurufen: sie sollten eilends herausgehen. Dies war kaum vollführt, so stürzte das Haus ein und hätte sie sicher erschlagen, wären sie noch drin gewesen.

Mauerwunder © Harald Hartmann

Der selige Hartmann und das Mauerwunder
Bildnschrift: B:HARTMANUS
Erster Regulirter
Probst in Closter-
neuburg erettet
seine geistliche
Singnatur: MARIA BARABARA KNABIN von Klosterneuburg 1766
Das Gemälde stammt aus der Pfarrkirche Langenzersdorf bei Korneuburg und
befindet sich heute in der Klausur des Stiftes Klosterneuburg.
Wir bedanken uns für das freundliche Entgegenkommen des Chorherren
www.stift-klosterneuburg.at
© Harald Hartmann, Juni 2005

Also liefen auch einige Schiffsleute, die auf der Donau unweit des Klosters vorbeifuhren, Gefahr, an einem vorspringenden Felsen zu stranden, wenn der heilige, dies vorhersehende Propst sie nicht durch zeitige Warnung errettet hätte.

Darnach als er zum Bischof von Brixen war erwählt worden, ließ er sich das Wohl seines Bistums und jedes Geringsten darin so angelegen sein, daß die Bedrückten und Notleidenden an ihm allzeit einen milden Vater hatten, während er mit sich selber streng verfuhr und sich auf jegliche Weise Abbruch tat. Wenn einer seiner Untergebenen etwas Sträfliches beging, ließ Hartmann sich dafür schonungslos geißeln, weil er für das, was die Untertanen fehlten, sich als den Oberen verantwortlich hielt.

Er wehrte auch unverzagt den Übergriffen mächtiger weltlicher Herren, so oft sie die Rechte des Bistums schädigten, das Volk bedrückten oder miteinander Händel anfingen. Einst, als die Ministerialen der Kirche Brixen untereinander in Streit geraten waren, und sich bei dem St. Georgskirchlein zu Taisten ein richtiges Treffen lieferten, trat der selige Bischof unter sie und mahnte sie durch Gottes Willen zum Frieden. Die Ritter, von seinen Worten bewegt, gehorchten ihm. Er war aber mit seinen Mannen so hastig hergeritten, daß die ermüdeten Pferde des Futters bedurften. Nun lag bei der Kapelle ein Haufen Futter; das gaben die Bischöflichen ihren Rossen vor. Doch hatten es die Streiter von vorher aus den umliegenden Dörfern geraubt. Und siehe: die Pferde rührten das Futter nicht an. Der Bischof aber erkannte den Grund und gebot den Rittern, das Futter zurückzugeben.

Der selige Bischof liebte die Einsamkeit und das Stillschweigen. Darum speiste er am liebsten allein. So war er einstmals bei der Einweihung der Klosterkirche zu St. Lambert in Steiermark gegenwärtig; da ließ der Abt ihm den Tisch in einer Zelle decken und bestellte einen Bruder zu seinem Dienst. Der wollte dem Bischof Wein schenken, aber Hartmann verlangte Wasser und erhielt es. Als dann der Bruder das Krüglein zum zweitenmal füllen wollte, stieg ihm daraus ein köstlicher Weinduft entgegen, und wie er den Rest des Wassers verkostete, trank er den erlesensten Wein. Er ließ voll Staunen darüber noch einen Klosterbruder kosten, und auch dieser schmeckte den Wein. Aber der Bischof legte beiden auf, bis nach seinem Tode zu schweigen.

Mehrmals geschah es, daß der selige Hartmann aus dürrem Lande einen Brunnquell hervorrief oder schales ungesundes Wasser in heilsames verwandelte. Das bezeugen die nach ihm benannten Brunnen zu Aufhofen, zu St. Georg in Antholz und der, zwar vom Eisack übermurte, bei Kloster Neustift, das auf Hartmanns Veranlassung gegründet ist. Auch fuhr der Bischof einst über die Tierser und Wälschnovener Alm nach Fassa, unterwegs kam er an einem Brunnen vorbei und begehrte zu trinken. Aber die Bauern warnten ihn, weil jeder, der von diesem Brunnen trinke, sterben müsse - so giftig sei das Wasser. Das erbarmte den Bischof, denn weithin gab es kein anderes; deshalb ritt er zum Brunnen hin und betete inbrünstig. Alsbald ging ein giftiger Wurm aus dem Brunnen, der schlang seinen Schweif um die Hufe des Roßes und bäumte sich auf wider den seligen Mann. Der aber schlug ihn mit seinem Stab zu Tode und segnete den Brunnen; da ward das Wasser so rein und köstlich wie keines ringsum. Und die Almleute, aus Dankbarkeit, benannten es den Hartmannsbrunnen.

In gar hohem Ansehen stand Bischof Hartmann auch bei Kaiser Friedrich dem Rotbart. Einst verweilte er an dessen Hoflager, da alsbald der Ruf seiner großen Heiligkeit sich verbreitete. Nun begab sich, daß die Fischer, denen es oblag, die kaiserliche Tafel mit Fischen zu versorgen, einen aus der Maßen großen Fisch fingen, ihn aber durch Ungeschick wieder entwischen ließen. Drob waren sie sehr betrübt und in Ängsten und sprachen zueinander: "Laßt uns das Netz nochmals auswerfen, im Namen dieses fremden Bischofs, mit dem, wie es heißt, die Gnade Gottes ist; vielleicht schafft er uns den Fisch zurück." So warfen sie das Netz aus im Namen des seligen Bischofs Hartmann und fingen denselben Fisch zum andernmal. Dem Kaiser wurde der Fisch gebracht, aber als er den Hergang des Dinges erfuhr, hieß er die Männer den Fisch zu dem Bischof tragen - "denn - " sprach er, "der Fisch soll dem zugehören, in dessen Namen er gefangen wurde."

Es ließ der Kaiser von seiner Verehrung für den seligen Hartmann auch nicht nach, als der Bischof auf Antrieb seines Gewissens mit dem Papst Alexander hielt, den der Kaiser bestritt. Einstmals zog der Kaiser durch Brixen und begehrte: der Bischof Hartmann möge ihm einen Altarstein weihen, dessen er sich auf der Reise bedienen könnte. Das wollte der Bischof nicht anders, denn im Namen des Papstes Alexander tun,- und Friedrich gab es zu, damit er einen von Hartmann geweihten Stein bekäme.

Ein einziges Mal erlag der heilige Mann einer Versuchung: das war, als ein vornehmer adeliger Herr, der um übler Taten willen im Kirchenbann gewesen, jählings verstarb. Da wandte des Verstorbenen Bruder alle Mittel an, um für den Gebannten die kirchliche Bestattung zu erlangen: er bestürmte den Bischof mit Bitten, verhieß ihm für die Gewährung einen silbernen Becher, und in einem Augenblick der Schwäche gab Hartmann ihm die ersehnte Erlaubnis. Die Nacht darauf aber hatte er ein entsetzliches Gesicht: fremdartige unirdische Gestalten entfachten vor seinem Antlitz ein großes Feuer und dräuten ihn darin zu verbrennen, weil er das Recht verkauft und seine geistliche Pflicht verletzt hätte. Auch als die Schreckensgestalten verschwunden waren, fühlte der Bischof noch seinen Leib von unerträglicher Hitze durchglüht, und gleich am Morgen, voller Scham und Reue, widerrief er die ihm abgeschmeichelte Erlaubnis und gab den silbernen Becher zurück. Diese eine Verfehlung leichte hin, ihn vor allen künftigen zu behüten.

Der selige Hartmann verschied den dreiundzwanzigsten des Chrisimonds im Jahre des Herrn elfhundertfünfundsechzig. Er hatte ein Bad genommen und ward im Bade tot gefunden, das Haupt außer dem Wasser friedlich wie ein Schlafender auf die Hand geneigt. Im Dom zu Brixen hinter dem Hochaltar fand er seine Ruhestatt und wird dort bis zur Stunde andächtig verehrt.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 109ff