Der Haselstrauch

Als die seligste Jungfrau übers Gebirg zu Sankt Elisabethen ging, da sie einen Haselstrauch, von dem brach sie einen Zweig und schlug damit die Schlange, daß sie entweichen mußte. Nach anderen wäre es ein wildes Wetter gewesen, das die heilige Jungfrau überfallen und vor dem sie unter einer Hasel Schutz gesucht. Zum Dank aber für die Hilfe, so ihr der Haselstrauch geliehen, gab ihm die Gottesmutter eine so fürnehme Weihe, daß er dadurch mit allerhand heimlichen Kräften und Tugenden geziert ist. Stäbe von der Hasel helfen allzeit gegen giftige Würmer und sind die besten Wanderstecken. Vom Haselstrauch wird auch die Wünschelrute geschnitten, welche verborgene Erdschätze anzeigt. Am kräftigsten wird sie, wenn sie abgeschnitten worden im Neumond mit einem noch ungebrauchten Messer im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, mit je drei Schnitten, dies soll vollbracht werden vor Sonnenaufgang, am neuen Sonntag oder am Tage Johannes des Täufers oder am hl. Dreikönigstag. Gleich nach dem Schneiden wird die Wünschelrute getauft; diese Taufe muß mit ganz reinem Gemüt, ohne Sünde und Feindschaft, geschehen. Deshalb soll eine Generalbeicht, wahre Reue und Buße und die heil. Kommunion vorhergehen, jeder Schaden an Nebenmenschen soll gut gemacht sein, auch soll man drei Tage zuvor beten, dann schneiden und taufen. Da braucht es nichts weiter als mit reinen Händen und reiner Seele zu sprechen: "Ich taufe dich im Namen der heil. Dreifaltigkeit, daß du sollst genannt sein" - es folgt der Name eines der heiligen drei Könige. Erhält die Rute den Namen Kaspar, so zeigt sie auf Gold, wenn aber Balthasar, dann auf Silber; wird sie auf Melchior getauft, so zeigt sie verborgene Wasser und heilsame Quellen. Zum Schluß wird die Haselrute mit Weihwasser besprengt und ein Kreuz darüber gemacht.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 61ff