St. Johannes und der Teufel

St. Johannes und der Teufel saßen einmal beisammen auf einem Hausdache. Da machten sie eine Wette, wer früher imstande sei, eine bestimmte Anzahl der kleinen hölzernen Dachschindeln zusammenzufädeln. St. Johannes nahm lauter kurzer Fäden, zog sie durch das Nagelloch, knüpfte Faden an Faden und reihte so eine Schindel an die andere. Der Teufel hingegen griff mit großem Ungestüm nach einem langen, langen Faden und arbeitete hitzig drauf los. Da sich aber der Faden überall verwickelte und der Teufel immer hin und her laufen mußte, um ihn bald da, bald dort wieder loszumachen, so war er noch kaum zur Halste gekommen, als St. Johannes seine Arbeit schon fertig zuweg gebracht hatte.

Den Teufel verdroß es ungemein, die Wette verloren zu haben. Nun zeigte er auf ein Feld und sagte: "Nehmen wir, was dort wächst, jeder zur Hälfte; willst du die untere oder die obere?" St. Johannes sah hin und erkannte, daß es ein Rübenfeld sei. Er wählte daher die untere Hälfte, der Teufel aber mit Freuden die obere, weil er meinte, er werde da viel Schönes bekommen, dem anderen aber würden nur dünne, bittere Wurzeln bleiben. Als die Rüben gewachsen und zeitig waren, kamen die beiden wieder, da erhielt der Teufel nur ein Haustein halbwelken, wurmstichigen Krautes, der Heilige aber einen großen Haufen der schönsten saftigsten Rüben.

Als der Teufel sich wieder ärgerte, deutete St. Johannes auf ein anderes Feld in der Nähe und fragte: "Wollen wir noch einmal wetten?" "Freilich," versetzte der Teufel, "aber diesmal will ich die untere Hälfte." "So nehm ich die obere," sagte Johannes. Auf dem Felde aber wuchs Weizen und als die Zeit der Ernte eintraf, bekam St. Johannes die schönen körnerschweren Ähren, dem Teufel aber blieben die leeren Stoppeln.

Darauf ging der Teufel keine neue Wette mehr ein, sondern fuhr voll Grimm und Arger zur Hölle.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 159ff