Die gottlosen Knappen

In den Bergwerken oben dem ein großer Reichtum an Gold und Silber gewesen. Zu Anfang waren die Knappen auch noch ehrbar und fromm und wandten ihre Wohlstand gut an - das war, wie sie das Warbleskirchlein in Gossensaß am Schellenberger Weg erbaut haben. Mit der Zeit aber machte der Bergsegen sie übermütig: sie mochten keine Röcke mehr tragen außer von Sammet und teurem Tuch, ihre Schuhnägel waren von Silber, und ihre Weiber stolzierten womöglich noch herrischer einher. Es gab keine Lumperei, auf die sie nicht verfielen; der Vollerei und Üppigkeit war kein Maß noch Ziel. Die Männer schoben am Feierabend mit Kugeln von lauterem Gold nach silbernen Kegeln; die Weiber rieben den Schmutz von Tischen und Bänken mit Brotkrumen ab und säuberten ihre kleinen Kinder, wenn sie sich verunreinigt hatten, mit feinem Weizenbrot.

Einmal an einem Festtag, nachdem die Knappenschaft aus Leibeskräften geschlemmt und getrunken hatte, kam einer von ihnen auf den Einfall, einen Ochsen lebendig zu schinden. Sie verübten den Frevel wirklich, zogen dem armen Tier die Haut ab und streuten ihm Salz auf das Fleisch. Der Ochse sah gen Himmel und rerte (weinte) - da ward die Luft dunkel, und im Berg tief drinnen ließ ein Dröhnen und Klingen sich hören. Das war das Gold und Silber, das durch Gottes Strafgericht auf immerdar versank und wie die Knappen dann darnach wühlten und gruben, stürzte der Schacht über ihnen ein und kamen ihrer viele ums Leben. Die aber übrig blieben, die waren nun arm und mußten hart arbeiten um ihr tägliches Brot. Von Zeit zu Zeit in besonderen Nächten lassen sich über den verschü teten Stollen tanzende Flämmchen sehen, das sind die versunkenen Schätze, die blühen, aber es hebt sie keiner mehr.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 141ff