Maria in Duft

Im Weiler Duft im Unterinntal, unterm Schwazer Erbstollen, steht an der Straße eine kleine Wegkapelle, unserer lieben Frauen geweiht. Vor Zeiten thronte darin auf dem Altar ein wunderliebliches Marienbild, zur andächtigen Verehrung aller Frommen. Weil aber die Kapelle so hart an der Straße lag, und die Tür allzeit offen war, geschah es, daß aller Staub von draußen hereingeweht wurde und sich auf Gerät und Gestühl niederließ. Gar bei nassem Wetter schleppten die Beter den Straßenkot an ihren Schuhen herein, davon das kleine Gotteshaus eher das Aussehen eines Stalles gewann. Die Umwohner aber schienen sich das Wort, daß dem Reinen alles rein ist, allzu buchstäblich zu Gemüt genommen zu haben, denn sie regten leider keine Hand, um der geweihten Stätte wieder zu schicklicherem Aussehen zu verhelfen.

Das mußte der Reinsten der Minen, der jungfräulichen Gottesmutter, in die Länge freilich mißfallen. Und an einem Samstag Abend stieg die seligste Jungfrau vom Altar herab, schürzte ihre heiligen Gewänder und begann gleich einer emsigen Magd ihre Kapelle selbst zu scheuern und fegen. Welches von etlichen abendlich Vorübergehenden mit frommem Schauer wahrgenommen worden. Die Kapelle aber war darnach so blinkend sauber, wie keine irdische Frauenhand je hätte bewirken können.

Später wurde das wunderbare Marienbild zu würdiger Aufbewahrung in die Schloßkapelle von Thurneck bei Rotholz gebracht und sieht noch dort. Die kleine Kapelle in Duft aber ist nichtsdestominder auch heute jedem Gläubigen heilig, weil die Hand der benedeiten Jungfrau selber, allen frommen Frauen der Gegend zum mahnenden Beispiel, sie gereinigt hat.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 48f