Die heilige Notburga
Notburga war geboren zu Rattenberg am Inn, frommer und rechtlicher Handwerksleute Kind. Von früher Jugend an war sie dem Gebet und Wohltun vor allem zugewandt und nahm täglich zu in der Liebe Gottes und des Nächsten. Da sie nun achtzehn Jahre zählte, taten sie ihre Eltern in einen Dienst, da kam sie auf das Schloß Herrn Heinrichs von Rottenburg, der ein mächtiger Herr im Lande war. Ihm und seiner Frau, die Guta geheißen, diente Notburga so wohl, daß sie der Küche und allen Vorräten vorgesetzt ward; ihre Herrschaft und desgleichen die junge Herrschaft hielten sie in Ehren und vertrauten ihr in allem. Als aber Herr Heinrich und seine Guta das Zeitliche gesegnet hatten, folgte ihm als Herr der jüngere Heinrich, sein Sohn, der hatte eine geizige hart gesinnte Frau zur Ehe, mit Namen Ottilia. Ihr war bewußt, wie reichlich Notburga den Armen und Kranken spendete von dem vielen, was bei Tische an Speis und Trank überblieb. Denn also tat sie um Gotteswillen, und die Armen weit und breit hingen an ihr als einer Mutter. Darob schalt sie Ottilia und gebot, daß den Bettlern, so die Burg umlungerten, nichts mehr sollte gereicht werden; sie wolle nicht das Gesindel herbeiziehen. Was vom Tisch abfiele, sollte den Schweinen vorgeschüttet werden, denn die brächten wenigstens Nutzen.
Hl. Notburga, Volksheilige Tirol
Briefmarke 55 Cent, Österreich 2008
Ausgabetag: 6.6.2008, Entwurf: Maria Schulz, Stich: Robert Trsek
Notburga zählt zu den meistverehrten Heiligen in Tirol. Über ihr Leben gibt es kaum geschichtliche Daten. Im 17. Jahrhundert wurde vom Haller Stiftsarzt Hippolyt Guarinoni eine Lebensbeschreibung anhand der Legenden verfasst. Notburga war eine typische Figur des späten Mittelalters, lebte ein halbes Jahrhundert nach dem Heiligen Franziskus und der Heiligen Elisabeth von Thyringen, deren Eintreten für die Armen eine neue Bewegung im Mittelalter bewirkt hatte. Notburga - keine Adelige, keine Nonne, sondern eine einfache Frau aus dem Volk - diente vor allem in Tirol als großes Vorbild.
Der legende nach wurde Notburga um das Jahr 1265 in Rattenberg geboren. Sie verdingte sich als Magd auf Schloss Rottenburg und kümmerte sich schon als junges Mädchen um die Armen und Kranken. Mit Billigung der Grafenfamilie verteilte sie die Reste der Speisen an Bedürftige. Nach dem Tod des Dienstherren missfiel der jungen Gräfin das soziale Engagement Notburgas und verjagte sie von der Rottenburg. Norburga fand in der nahen Gemeinde Eben am Achensee eine Stelle als Bauernmagd. In der Zwischenzeit kam Unglück über Schloss Rottenburg, die Schlossherrin starb und der junge Graf geriet in Streit mit seinem Bruder. In dieser Situation erinnerte sich dieser an die Magd Notburga und holte sie auf die Burg zurück. Notburga stiftete Frieden zwischen den Brüdern und durfte die fürsorgliche Betreuung und Pflege der Armen und Kranken wieder aufnehmen. Nach ihrem Tod im Jahr 1313 wurde sie vor dem Altar der Rupertikirche in Eben begraben. Die Verehrung der frommen Magd breitete sich rasch in Tirol und Bayern aus und Notburgas Grab wurde eine vielbesuchte Wallfahrtsstätte. 1434 wurde das kleine Kirchlein zur Notburgakirche in Eben umgebaut. Die Verehrung der Notburga erhielt im Jahre 1862 die offizielle Bestätigung durch Papst Pius IX. Das Fest der Tiroler Volksheiligen wird am 13. September gefeiert. An diesem Tag findet in Eben am Achensee die feierliche Notburgaprozession statt.
Notburga ist Patronin der Dienstmägde, der Armen und der Bauern. Sie gilt auch als Beschützerin der Sonntagsruhe. Dargestellt wird sie mit einer Getreidegarbe, einer Sichel und mit einem Krug. Sie weisen auf den Legendenkranz hin, der sich um Notburga rankt. So erzählt man beispielsweise vom „Holzspan-Wunder“: Als Notburga wieder einmal Speis und Trank zu den Armen brachte, wurde sie vom Grafen zur Rede gestellt, aber in ihrer Schürze und im Krug waren nur Holzspäne und Lauge. Bekannter ist indes das „Sichel-Wunder“. Der Bauer, bei dem sich Notburga verdungen hatte, verlangte von ihr und den Dienstleuten, dass auch nach dem Feierabendläuten weitergearbeitet und das Getreide geschnitten werden sollte. Notburga warf ihre Sichel gegen den Himmel und stellte sich zum Gebet auf. Die Sichel blieb über ihrem Kopf wie an einem Sonnenstrahl aufgehängt in der Luft stehen.
(Quelle: Abhandlung Sur Sondermarke "Hl. Notburga", Österr. Post, 6.6.2008)
Notburga, als eine fromme Magd, gehorchte der Herrin, soweit es deren eigenes Gut betraf; sich selber aber darbte sie vom Mund und vom Lohn ab, was sie vermochte, um Ärmeren spenden zu können. Da ward Ottilia zornig und kürzte ihr Kost und Sold, so daß Notburga kaum des Gebens Notdurft hatte. Aber sie lobte Gott in ihrer Dürftigkeit und gab noch Almosen von dem wenigen. Darum ward die Frau ihr bitter feind und verklagte sie bei ihrem Herrn als eine verschwenderische unfolgsame Dirne, die das Gut vertrage und liederliches Volk heranziehe. Der Ritter glaubte seiner Frau und ward gegen Notburga unwillig. Einmal, da sie wieder das zusammengesparte Essen und eine Flasche Wein in ihrer Schürze den Burghügel herabtrug, trat ihr Herr Heinrich entgegen, fragte unwirsch, was sie da trüge und befahl ihr, die Schürze voneinander zu tun. Notburga, zwar arg erschrocken, gehorchte und schlug die Schürze zurück - es sah aber der Ritter nichts als Scheiter und Hobelspäne. Er wollte auch den Inhalt der Flasche verkosten und schmeckte nichts, als eine bittere Lauge. Des ward er betroffen und ließ Notburga gehen. Sie aber eilte hinab zu den Siechen und Armen, die an der Straße ihrer harrten und teilte ihnen die gesammelten Brocken aus und empfing ihre Segenswünsche dafür.
Da sie jedoch heimkehrte, fiel die Frau Ottilia wütig über sie her und schalt sie eine freche Magd, die absichtlich, um ihren Herrn zu höhnen, Hobelscheiten und Lauge mit sich genommen hätte. Wie sie sich auch bescheidentlich verantwortete, so half es ihr nicht; es ward ihr als einer losen Dirne der Dienst aufgesagt.
Also schickte Notburga sich an, traurigen Herzens die Burg zu verlassen. Noch zuvor aber ward Frau Ottilia von einem bösen Übel befallen; da vergalt ihr Notburga nicht mit Schadenfreude, sondern wartete ihr so treulich ab, wie sie der guten Frau Guta in ihrer letzten Krankheit getan. Und als Ottilia starb, ließ sie es an Tränen und frommen Fürbitten nicht fehlen. Alsdann ging sie still von bannen, wie die Frau es gewollt.
Sie schritt über das Inntal hinüber und kam gen Eben im Achental. Dort verdingte sie sich einem Bauern als Magd und diente ihm fleißig. Nur das eine bedang sie sich aus, daß die Zeit nach Feierabendläuten ihr gehören sollte zu Gebet und stiller Andacht. Und es war auch hier der Segen mit ihr, so daß ihrem Bauern alles nach Wunsch geriet und er ein wohlhabender Mann ward. Aber alsbald fuhr der Geizteufel in ihn: er sah sich nie genug, sparte und knickerte und ließ die Diensten arbeiten über Macht. Das trug Notburga alles mit Geduld.
Einmal aber, in der Erntezeit, hatte das Gesinde vom frühen Morgen bis Sonnenuntergang auf dem Acker geschnitten und Garben gedreht. Da es nun zum Gebet läutete, wollten sie aufhören; der Bauer jedoch schalt und bedräute sie, daß sie schneiden sollten, bis es Nacht würde. Da mahnte ihn Notburga des Wortes, das er ihr gegeben; das wollte er nicht halten. Notburga aber sprach: "Nun soll Gott Richter sein zwischen dir und mir. Schau: ich werfe meine Sichel in die Luft; fällt sie herab, so hast du recht - bleibt sie aber droben, so gibt es Feierabend." Da warf sie ihre Sichel gen Himmel, und siehe: sie blieb schweben in der Luft. Darob erstaunten alle, die das Wunder sahen.
Nicht lange stand es an, so kam ein reisiger Mann mit Waffenknechten auf Eben geritten. Das war Herr Heinrich der Rottenburger, der kam zu Notburga und bat sie demütiglich, daß sie seines Unrechts nicht gedächte. "Du Gottgeliebte, komm zurück in meine Burg! Du hast den Segen hinweggenommen, und Unheil hat mich heimgesucht." So sprach er und hatte des allen Grund, denn er stand in erbitterter Fehde mit seinen nächsten Blutsfreunden, und Mißwachs und Viehsterb, Raub und Feuer hatten sein Gut gemindert. Darzu hatte er seit seiner Frauen Tode nicht den Trost, daß ihre Seele bei Gott sei; denn es spukte und rumorte greulich im Schweinestall. Ein Gespenst trieb sich grunzend mit den Schweinen um; da hatte Herr Heinrich einen frommen Benediktiner von St. Georgenberg entboten, den Geist zu beschwören. Darauf hatte sich das Gespenst als die verstorbene Frau Ottilia bekannt, die verurteilt sei, im Stall gepeinigt zu werden, weil sie das Almosen Notburgas lieber den Schweinen als den Armen vergönnt. Da ließ der betrübte Witwer viele Seelmessen lesen und reichlich Almosen geben, stiftete auch eine jährliche Spende, die zu St. Georgenberg den Armen sollte ausgeteilt werden. Wodurch dann der unselige Geist allgemach die Ruhe und das Schloß des Rottenburgers wieder den Frieden fand. DerBurgherr aber hatte sich aufgemacht, um Notburga das Erlittene abzubitten und anzuhalten, daß sie wieder zu ihm käme.
Da Notburga dies alles vernahm, gedachte sie keiner Kränkung mehr, sondern war nur herzlich bekümmert um die Trübsal ihres Herrn. Zuhand nahm sie Urlaub von allen zu Eben und zog gehorsam mit Herrn Heinrich davon. Und mit ihr kehrte auf der Burg das frühere Gedeihen wieder ein: in Haus und Feld geriet alles aufs beste, und des Ritters Sippen versöhnten sich ihm. Über eine Zeit nahm er ein zweites Weib, eine Hoheneggerin, zur Ehe; die war so weise, Notburga ungehindert schalten und walten zu lassen als die demütigste und redlichste Schaffnerin. Auch der Kinder Herrn Heinrichs aus seinen beiden Ehen nahm Notburga sich an und pflegte und lehrte sie liebreich wie eine andere Mutter. Sie verließ die Burg nur ein einziges Mal noch: als ihr einstiger Dienstherr, der Bauer in Eben, zu sterben kam. Da ging sie und saß an seinem Lager und half durch ihr Gebet seine Seele befreien von den Feinden, die ihr nachstellten, so daß er ein christliches Ende nahm.
Endlich ward Notburga, die heilige Magd, selber siech und merkte, daß
ihre Stunde gekommen war. Da nahm sie heiteren Herzens Abschied von allen
im Hause und segnete sie, und alle weinten, denn da war keiner, dem sie
nicht Gutes getan. Noch bat sie: daß ihr Leichnam sollte auf einen
Wagen gelegt und sollten davor zwei starke Ochsen gespannt werden. Wo
dann die Ochsen den Sarg hinzögen, da wollte sie begraben sein. Darnach
starb sie, achtundvierzig Jahre alt, und erhob sich große Klage
um sie. Der Sohn und Erbe Herrn Heinrichs aber ließ nach ihrem Willen
den Leichnam der seligen Magd auf einen Ochsenwagen legen; er selbst mit
seinem jungem Bruder samt dem Priester und allen Burgleuten schritt hinterdrein.
Da zogen die Ochsen den Wagen den Hügel hinab, quer über die
Straße und mitten durch den hochgeschwollenen Innfiuß, so
trocken und unbeschadet, wie über festen Boden. Am anderen Ufer,
im Dorfe Jenbach, blieben sie stehen und warteten, bis das Trauergeleit,
das einen Umweg machen müssen, auch drüben angekommen war. Darnach
fuhren die Ochsen weiter, auf Eben zu, und beim Kirchlein des hl. Ruprecht
hielten sie still, fuhren dann in das Kirchl hinein, wo die deiche von
unsichtbaren Händen vorm Altar abgesetzt ward und fuhren den leeren
Wagen wieder zur Kapelle hinaus. Allda wurde der jungfräuliche Leib
zur Erde bestattet. Später, während schlimmer Kriegsläufte
[sic], ward er hinweggeflüchtet, sodann aber nach Eben zurückgebracht
und eine neue Kirche über dem Grab erbaut. Dort steht auch auf dem
Altar ein Bildnis der Heiligen, deren Fürbitte schon große
Wunder gewirkt hat.
Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 116ff