Gottes Schöpfung und der Teufel

a) Von der Gemse

Wie unser lieber Herrgott die Welt erschaffen hat mit allem, was drin umeinand wuzelt, kriecht und stiegt, zelm [dort] ist nicht weit davon der Teufel gehockt. Der hat grad schauen müssen und sich gegiftet, weil er selber so was nie zusammenbringt. Aufs letzte ists ihm zu dumm worden, und er hat den Herrgott bittweis' angeredet: ob er ihm nicht erlaubt, daß er auch ein Tier erschaffen darf?

Der liebe Herrgott hat so ein bißl in seinen glanzigen Bart gelacht und gesagt:

"Ja, meintswegen! Ich vergönn dirs schon."

Jetzt ist der Teufel voller Freuden gewesen, hat in die Hand gespien [gespuckt] und sich dran gemacht, ein recht wunderfeines Tierl zu erschaffen - nach seinem Ebenbild, versteht sich, weil er sich selber gar so gut gefallt. Ein rauhes, haariges Fell hat er der Kreatur gegeben, gespaltene Hufe, am Kopf ein schönes Paar spitzige Hörndln und so ein gleißendes Geschau, wie er selber hat. Nicht viel Bart; den eigentlichen Bart hat er ihr auf den Widerrist gesetzt, an die Kehrseite aber einen mordslangen buschigen Schweif angehängt, ganz ähnlich wie den seinigen. Denn über seinen Schweif sieht ja dem Teufel nichts auf. Also ist die Gemse fertig gewesen, und war dem Teufel auf und nieder recht.

Der Herrgott hat sie so angeschaut und hat zum Teufel gesagt:

"Ja, mein lieber, da du sie erschaffen hast, stehts auch dir zu, daß du sie jetzt in acht nimmst und für sie sorgst. Wirst wohl nicht verlangen, daß meine lieben Englein dir dein Viehzeug hüten" - hat er gesagt.

Das hat der Höllenwirt eingesehen und hat versprochen: Ja, da fehlt sich nix, und er will sie rechtschaffen betreuen. Aber das hat er nicht bedacht, daß sein Gamstier auch inwendig ganz nach ihm geraten ist: ein zunichtes, boshaftes Glider, voller Launen und Eigensinn. Nur immer Herumstreunen und Herumrennen und nicht folgen, um keine Welt! Den ganzen Tag kraxeln, an den steilsten, verlorensten Örtern - da läßt sich denken, wie oft das Kunter sich eingehängt hat an Dörnern und Steinen mit seinem langen, haarigen Schweif. Dann hats gepfiffen und getan wie am Spieß - und der Teufel hat kommen müssen und schauen, wie ers losbringt. Leicht an hundert Mal ist das geschehen, und die lieben Engerln im Himmel haben zugesehen und ihre Freud daran gehabt. Aber dem Guggau, der ohnehin der Geduldigste nicht ist, war das Ding gar bald entleidet.

Einmal hat die Gemse sich wieder im Gewänd verstiegen, und dabei ihren Schweif in einer Stauden festgehakt. Weil sie gar so kläglich getan hat, ist der Teufel herzu gelaufen und hat sie losmachen wollen; aber mit lauter Gehupf und Getu hat sich das Vieh, das damische, immer mehr und mehr verwickelt. Da hat der Teufel einen Mordszorn gekriegt; mit allen zwei Krallen hat er den buschigen Gemsenschweif gepackt und voneinand gerissen, so daß ihm das größte Teil zwischen den Pratzen verblieben ist.

"Malefizluder, elendiges!" hat er gebrüllt - "jetzt soll dich hüten, wer mag! ich will nichts mehr wissen von dir."

Und abgefahren ist er mit Stank und Schwefel zur Hölle.

Die arme Gemse ist dagestanden ganz verwaist und verzagt; keine Seel hätt sich ihrer angenommen, wenn unser Herrgott nicht gewesen war. Der aber hat sich über sie erbarmt und sie bestehen lassen als seine Kreatur. Freilich ein bißl was vom Teufel seiner extrigen Art ist ihr doch verblieben; auch ist sie schuld, daß manch ein Wildschütz Leib und Seele ihretwegen verliert. Aber das armselige Trümml von abgerissenem Schweif, das haben alle Gemsen bis zum heutigen Tag.


b) Die Preiselbeere

Wieder einmal ist dem Teufel die Lust angekommen, daß er sich mit irgend was auszeichnen und eine Ehr aufheben möcht. Drum hat er unsern Herrgott gebeten, er soll ihm verstatten, jetzund was Blühendes zu erschaffen: Blume oder Frucht. Natürlich hat der liebe Gott gleich gewußt, daß das auch wieder nichts wird; aber er hat doch gesagt: "Von mir aus."

Also der Hörndlete, voller Freuden, geht herum und studiert, was er Schönes auskopfen könnt. Da fällt ihm ein, daß im Wald drinn nur die dunkelblauen Moosbeeren am Boden wachsen, und wie fein dunkelrote Beeren ausschauen müßten - so rot wie Blut und höllisches Feuer. Geschwind geht er her und hext solche Beeren zusammen, die heutzutag Grangglbeeren oder Preiselbeeren heißen. Und dabei tut er heimlicherweis den Fluch: daß wer davon ißt, ihm, dem Teufel, zugehören soll mit Leib und Seel.

Das Ding war gut, und die Beeren waren fertig, und die Farb daran ist noch ganz frisch und pappig gewesen. Der Ganggerl stellt sie recht mitten ins Moos hinein und - hast du gesehen! - fährt er auf und davon.
Nicht lang ists angestanden, so geht unser lieber Herr und Heiland durch den Wald. Alle Vögerln sind aufgeflattert, und alle Tierlein sind herzugekommen und niedergeknieet, und die kleinsten Blümerln wie die höchsten Bäume haben sich tief geneigt. Nur ein einziges Stäuderl mit roten Beeren hat sich nicht gerührt, hat feurig aus dem Moos herausgespitzt. Unser Herr schaut die Preiselbeere an und erkennt gleich, wo die her ist und was der Höllteufel damit im Sinn hat. Da haben ihn die Menschen, auf die es abgesehen war, und zumal die lieben kleinen Kinder, die so gern Beeren zupfen, recht von Herzen erbarmt. Und er redet nicht lang, sondern neigt sich nieder und macht ganz sacht über die Beere das Zeichen seines heiligen Kreuzes.

Da hat der Teufel keine Macht mehr über die Preiselbeere gehabt, und sie ist gerade so gesund und unschuldig gewesen wie die Moosbeere und die andern. Gelt, tust sie auch gern essen?

Seit dem Tag aber tragen alle Preiselbeeren auf ihren Köpflein das Zeichen vom heiligen Kreuz.


c) Das Eichenlaub

Wer da meint, der Teufel hätt doch endlich eine Ruh gegeben und unsern Herrgott mit seinen Anliegen in Frieden gelassen, der kennt den Teufel schlecht. Nicht lang, so hat er wieder einmal den Schöpfer um irgend was angegangen; es ist nicht kund worden, was es war. Aber kann schon sein, daß er wieder seine Pratzen bei der Schöpfung hätt mit drinn haben mögen. Um ihn loszuwerden, hat der liebe Gott zuletzt gesagt: "Ja, wenn einmal die Eichen keine Blätter mehr haben."

Jetzt hat der Bettel gemeint, er hat schon gewonnen und hat schier die Zeit nicht erwarten können. Der Sommer ist zu End gegangen, und der Herbst ist gekommen, aber die Eichbäume haben ihre Blätter schön sauber behalten. Recht braun und dürr sind sie schon geworden, aber nicht abgefallen. So ist auch der Winter herumgegangen; auf allen Bäumen hat der Schnee gelegen, aber die Eiche hat darunter ihre Blätter gehabt. Wie es dann zu lenzen anhub und der Schnee vom Gezweig taute, da hat der Hörndlbub gemeint: jetzt war die Zeit recht und ist wie's Wetter durch den Eichwald dahergeflogen. Ja wohl: da haben unterm alten, rascheldürren Laub überall schon die jungen grünen Schößlinge hervorgeschaut. Die Eichen sind überhaupt nie ohne Laub,- das hat unser Herrgott freilich gewußt, der dumme Teufel aber nicht.

Jetzund hat er einen richtigen Teufelszorn gekriegt; ganz rasend ist er auf die Eiche zugefahren und hat die Blätter ringsum mit seinen scharfen Krallen zerrissen und zerklaut. Seit der Zeit hat das Eichenlaub so wunderlich zerfetzte, ausgezackte Ränder. Geh nur und schau, ob's nicht wahr ist!

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 10ff