Vom Teufel geholt

Zu Hinterste hatten die Passeirer zwei schöne Alpen; die hatten sie denen von Schönna in Pacht gegeben. Das ging so eine Reihe von Jahren; wie dann die Passeirer ihre Alpen zurück haben wollten, lehrten die Schönnaer den Stiel um und behaupteten: die seien ihr rechtmäßiges Eigentum. Darüber kam es zum Rechtsstreit, und der Schiedsspruch sollte davon abhängen, ob eine der Parteien unbescholtene Zeugen zu stellen vermöchte, die mit einem Eid ihr Recht erhärten wollten.

Da bestachen die Schönnaer einen aus ihrer Gemeinde mit viel Geld, daß er sich bereit finden ließ, den falschen Eid zu schwören. Weil ihm aber das Ding doch bedenklich war, hat er einen Ausweg gesucht. Er steckte oben in seinen Hut einen Schöpflöffel und tat Erde von seinem Gute zu Schönna in seine Schuhe. So trat er kecklich auf die Alpe und schwor- "So wahr ich den Schöpfer über mir und meine eigene Erde unter mir habe; die Alp gehört uns Schönnaern." Daraufhin ward das Besitzrecht denen von Schönna zugesprochen. Aber alsbald fuhr von dem Berghang über den Alpen der leidige Teufel herab, packte den Meineidigen und fuhr mit ihm unter Flammensprühen und üblem Stank zur Hölle. Er brach mit seinem Fang durch die "Weiße Wand" bei Hinterste dort sieht das große Loch, das er gerissen hat, zum Wahrzeichen heute noch offen. Von da fuhr er über platt und Christ! nach St. Martin; dort mußte er auf einem Stein ein Zeitl ausrasten. Dabei ächzte er: "Nichts ist so schwer als ein meineidiges Menschenaas!" Dann flog er mit dem Höllenbraten über Saltaus und Schönna davon und verschwand gegen Lana zu. Nicht gar weit entfernt, auf Schloß Goyen, das überm Naiftal liegt, war einmal eine znichte, faule Magd, eine, die schier zum Aufrechtstehen zu faul war. Sie stahl dem Herrgott den Tag und ihrer Herrschaft das Brot ab und ließ die besten Brocken, die vom Tisch überblieben, eher zugrund gehen, als daß sie sie einem Armen gebracht hätte. Wie endlich das Maß ihrer Sünden voll war, kam der Teufel und holte das ihm verfallene Weibstück. Als Schuldbeweis schleppte er einen großen Sack mit; in dem hatte er die Brotstücke gesammelt, die sie schmählich hatte verschimmeln lassen. Nie er das Weib und den Sack eine Strecke weit getragen hatte, wurde ihm die Doppellast zu schwer; er rastete auf einem Stein, der mitten in einer Wiese lag. An diesem Stein ist der Abdruck von des Teufels feurigem Schweif noch heute zu sehen.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 170ff