Versunkene Kirche

Im Reithererwald gibt es auch eine Stelle, die nach Form und Größe genau dem Umriß einer Kirche entspricht, auf welcher sich aber, im Gegensatz zu dem dunklen Wald, nur weiches Moos befindet. Hier soll die alte Kirche an einem St.-Peters-Fest mitten unter dem Gottesdienst versunken sein. Wer bei Mitternachtszeit hier vorbeikommt, kann den Chorgesang mit seiner Begleitung der Orgel hören - eine gar wunderbare Stimme soll da oft singen, und wenn man so gespannt hinhorcht, will man sogar vom Texte ganze Stücke verstanden haben. Ob es aber eine Männer- oder Frauenstimme sei, konnte niemand so recht behaupten. Auch die Glocken konnte man läuten hören, deren Tone geheimnisvoll aus dem Sumpf stiegen, sodaß man überhaupt nicht wußte, woher sie kamen. So manche sind schon im unwiderstehlichen Drang, dem Klang der lieblichen Töne der Stimme näherzukommen, vom sicheren Waldesrand hineingetreten in den weichen Boden und - versunken. Es soll da einstens ein großes Dorf gestanden haben, das erste und größte weitum. Die Bewohner legten auf die Kirche ihren ganzen Stolz. Es war da drinnen nichts vergoldet, sondern alles aus echtem Edelmetall getrieben. Die Kleider, die man da hinein anzog, wetteiferten an übertriebener Kostbarkeit und Pracht. Die Dorfschönen aber kleideten sich, um ihre natürlichen Reize zu zeigen, nur notdürftig und immer notdürftiger. Als sie aber schließlich sogar in voller Nacktheit zur Kommunion schritten, versank die Kirche mit all ihrer Pracht in den Erdboden, ohne daß es jedoch die darin befindlichen Menschen merkten. Für diese Eingesperrten soll aber der Sinn für die Zeit verschwunden sein. Sie leben noch alle und warten auf das Ende des hl. levitierten Amtes. Und erst am letzten dieser Erdentage, wo auch die Toten wieder auferstehen, werden diese nichtsahnend die Kirche verlassen.

Quelle: Sagen von verschwundenen Orten und Gebäuden, Simon Rendl, Zimmermoos, in: Tiroler Heimatblätter, 1938, Heft 4, S. 122