Gespräch mit den Verstorbenen - Eine alte Volksmeinung

In Alpbach war man früher der Ansicht, man könnte ohneweiters mit den Verstorbenen, die im Friedhof liegen, eine Unterhaltung beginnen.

Der Kirchturm mit Uhr von St. Oswald in Alpbach, Uhrzeit: Punkt 12 Uhr
Der Kirchturm mit Uhr von St. Oswald in Alpbach, Alpbachtal
Uhrzeit: Punkt 12 Uhr
© Berit Mrugalska, 26. Juli 2004

Es war nur eine Bedingung dabei: Es mußte sein, während die Kirchturmuhr 12 Uhr schlug. Dabei mußte man das Kreuz des Betreffenden herausziehen, noch während des Schiagens mit ihm sprechen, um auch eine Antwort zu erhalten. Das Kreuz mußte noch vor dem letzten Uhrenschlag wieder eingesetzt sein.

Das war nun gar nicht einfach. Kein Wunder, daß es nur ganz selten gelang in dieser kurzen Zeit!

Ein Alpbacher, so erzählt man, hätte es beinahe geschafft. Aber es war ihm nicht möglich, das Kreuz rechtzeitig einzusetzen, da lief er einfach fort. Da kamen die armen Seelen in Scharen, sie eilten ihm nach und holten ihn ein, noch ehe er den Mühlbach erreichte.

Weiter taten sie ihm nichts zuleide. Der Mann kam mit dem bloßen Schrecken davon. Er mußte aber zurück auf den Friedhof und das Kreuz wieder an die rechte Stelle setzen. Dann durfte er ungehindert den Totenacker verlassen.


Quelle: Die Heidin, Alpbacher Sagenbuch, Berta Margreiter, Innsbruck 1986, S. 67f.