Anhang
Über den Haselwurm

Halbmythische Würmer spielen in der tirolischen Sagenwelt die Hauptrolle, und von diesen der "Haselwurm", welcher auch bisweilen Weißer Wurm, Wurbl (Wurmb), Murbl, Paradeiswurm, Paradeisschlange oder Wurm der Erkenntnis genannt wird. Bis jetzt ist es den Forschern noch nicht gelungen, über des Haselwurms Wesen, Wirken und Gestalt ein genaues Bild zu bekommen. "Auf der Schön", einem Bauernhöfe ober der Higna (Higenau) am Reiterberge, dessen Besitzer Thomas Hechenblaikner heißt, ist eine sehr sorgsam aufbewahrte Hausaufschreibung vom Jahre 1661 befindlich, welche von dem Ahnherrn des Thomas, dem Wolfgang Hechenblaikner, herrühren soll, von welchem die Sage "Der gefrorene Wolfgang" mehreres erzählt und der jetzt noch im Rufe übernatürlicher Wissenschaften im Volksmunde lebt. In dieser Hausaufschreibung befindet sich auf 40 Seiten Quartblättern nebst verschiedenen damals im Brauche gewesenen Heilmitteln und Bannsprüchen auch über den Haselwurm so viel Altes und Neues, daß es als die verläßlichste Quelle angesehen werden kann; daher erlaubt sich der Herausgeber, diesen interessanten Gegenstand nach dem Originale zu kopieren, welches lautet:

EINE SCHÖNE WISSENSCHAFT VOM HASEL WURM ODER WEISSE NATTER UNTER DER HASELSTAUDE

Es ist eine schöne Kunst, daß einer durch verschlossene Türen mag eingehen ohne alle Müh und Arbeit und mag wissen alle Namen der Kräuter und zu was sie nutzen und gut sind, und alle Welt muß dich lieben, und vor allem Gefängnis bist du behütet und magst ledig werden, und mit keinerlei Waffen kannst du überwunden werden, und alle Recht magst du gewinnen und überwinden.

Sieh nur, wie das mag sein: es mag in Wetter, Eisen oder Schloß oder Waffen nicht schaden, und alle deine Feind' müssen dir untertänig sein, und die bösen Geister dergleichen; und bist unsichtbar.

Wo du Haselstauden findest, die Mistel hat, die grab samt den Bäumen ganz heraus, und ehe du sie ausgrabst und den Wurm haben willst, was an einem Freitag im Vollmond vor Auf gang der Sonne geschehen muß, sprich die Beschwörung:

"Ich beschwör dich, reiner Wurm, hei Gott dem Vater, bei Gott dem Sohn, und bei Gott dem Hl. Geist, Amen; daß du nicht weichst von dieser Statt, als bis ich dich von dannen trag."

Sodann macht man drei † darüber. Sodann macht man drei Kreise um die Stauden und fängt zu graben an, ohne ein Wort zu reden. Sobald du den Haselwurm erblickst, so nimm gepulverten "Artoimoissia" * und wirf viel hinein, so er wollte entfliehen, so aber findest du gar eine schöne weiße Natter, sie ist nicht giftig und auch nicht bös und windet sich nicht wie eine andere Natter, greif sie nur tröstlich an ohne alle Furcht. Sobald du sie in der Hand hast, dann sprich laut dazu folgende 13 Worte:

Stuiz hote : Hodivie : Evna : Ferlier : Kher : Khenlina : mit hoch : Allerues : Eurmite : Segma : Shen Malita : Eeml : Eso malitu Mür.

Sobald du dieses gesprochen wirst haben, fügt der Wurm sich in alles geduldig, und er wird dir alsogleich untertänig sein. Nun zieh ihm die Haut ab und nimm ihm die Zunge heraus, die Zunge stecke jedoch in die abgezogene Haut und binde alles in ein weißes Tüchl. Dieses dient zum Unsichtbarmachen. Wenn man es in der rechten Hand hält, so sieht einen kein Mensch, ob zu Pferd oder zu Fuß. Wenn man dann eine Tür oder ein Schloß anatmet, so geht es von selbst auf und geht wieder zu; wenn du die Haut mit der Zunge aus der rechten in die linke Hand nimmst, bist du auch wieder sichtbar.

Nachdem die Haut abgezogen, die Zunge herausgerissen ist, dann schneide die Natter in Stücke, siede sie in einer neuen Pfanne und iß von derselben, soviel du kannst: alsbald erkennst du aller Kräuter Natur und gewissen Reichtum und Gedächtnis. Alle Welt ist dir hold, niemand kann dir Feind sein, alle Rechte gewinnst du, aller Reichtum fällt dir schlafend zu: man mag dich nicht fangen, alle bösen Geister müssen fliehen oder dir untertänig sein. Das Essen der Natter schadet dir nicht.

Keine Kunst ist leichter zuwege zu bringen; und was einer liest, es sei christlich oder weltlich, das kann er alles auswendig und vergißt es niemals, ebenso was er niemals gehört hat, und was er anfängt, endet glücklich: es ist über die Schwarze Kunst.

* Artoimoissia ist deutlich zu lesen, obgleich die Schrift wohl schwer zu verstehen ist, weil es im Bauerndialekt geschrieben ist. Es kann wohl nichts anders als gepulverte Artemisa, Beifuß, d.h. Artemisia absinthium (Wermuth) sein, jene allgemein zu Beschwörungen und Bann und Zaubereien verwendete Pflanze.

Keine Haselstauden hat Mistel bevor sie nicht 35 Jahre alt geworden ist, den Haselwurm kann man essen, zu welcher Zeit man will, früh oder spät, den vordem oder hintern Teil, das ist gleich.

Die 13 Worte, eigentlich die 13 Absätze, welche in der Formel mit: abgeteilt sind, kann niemand erklären, welche Sprache sie sind und was sie bedeuten, man hat daher einmal den Teufel selbst gebannt, um solches herauszubringen, und ihn befragt, aber er hat's nicht gesagt, man setzte ihm so heiß zu, daß er geschrieen hat erbärmlich, nur so viel brachte man heraus, daß es noch viele heimliche Dinge enthalte, daß dadurch aber der Teufel keinem Menschen schaden kann, sei er, wer er will.

Wer einen Haselwurm graben will, muß sich wohl merken, daß er die Haselstaude zuerst begrüßt mit folgenden Worten:

"Gott grüß dich, edle Frucht Haselstaude, von Gott geziert durch ... deinen auserwählten Schatz, den du unter dir hast und behütest vor Wasser, Hagel, Regen, Blitz und Donner mit dem Schatten deiner Kleider; ich bitte dich, daß du mir den Schatz wollest zukommen lassen im Namen Gottes des Vaters † Gottes des Sohnes † und Gottes des Hl. Geistes † Amen."

Wenn man die Natter gefunden hat, so sage, bevor du sie angreifst, folgende Beschwörung:

† An Hotei : Hordirum : Verlirie : Korch : Erlira : mit orso Lerno : Kundtis Segnam : Segmartiotior : Achmaltirum †.

Dann spricht man weiter:

"Ich beschwöre dich, Schlange, bei dem, der dir geboten hat, daß du
auf deinem Bauch kriechen mußt wegen deiner Hoffart, wegen dem
Betrug, den du gegen die Eva verbrochen hast, daß sie zerbrach die
Gebote Gottes im heiligen Paradies wie auch ihr Gemahl, der Adam.
Ich beschwöre dich, daß du mir untertänig seiest, das Gift und den
Unflat von dir werfest und ich dich zu fangen vermag und brauchen
nach meiner Kunst und Notdurft; im Namen Gottes des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."

Darnach nimm einen ganz neuen Handschuh, der von niemandem gebraucht worden ist, hebe sie auf und spalte sie voneinander, mach Stücke daraus und mach sie in Pfeffer und Salz, wohl ein, daß man's
essen und brauchen kann und daß auch ein anderes davon essen und gebrauchen mag.

Dieses ist eine wohl lange weiße Schlangen und für gar vielerlei zu gebrauchen.

1. Von dieser gut aufbewahrten Schlange einem Knaben oder ändern jungen Kind ein kleines Stück zu essen eingeben, wird alles lernen, was es sieht oder hört, gar nichts ausgenommen, es hat völlige Erkenntnis von allem.

2. Wenn du sie bekommst, zieh ihr die Haut ab und reiß ihr die Zunge aus und wickle es in ein Seidentüchl weißer Farbe und trag's bei dir, so bist du unsichtbar.

3. Wer davon ißt, kennt alle Kräuter und zu was sie gut sind.

4. Wer von dieser Schlangen ißt, der stirbt eines jähen Todes nicht.

5. Wer das Herz und Beinlein der Schlange in seinen Garten oder ins Feld eingräbt, dem frißt kein Wildpret die Frucht ab.

6. Wer von der Schlangenhaut 3 Rippen in das Feld oder in den Garten gräbt, dem schadet kein Hagel.

7. Die Beinl sind auch gar gut für obiges in den Kräutgarten.

8. So du die Beinl auf dem Haupt hast und laßt die von einem Priester taufen, so zeigen sich dir alle verborgenen Schätze.

9. Wer die Beinl bei sich hat, zu dem kann kein böser Geist kommen.

10. Nimm die Rippen von der Schlangen Seiten, laß drei hl. Messen drüber lesen zu Ehren des hl. Sebastian und hl. Martin, so gewinnst du, was du willst, und kann dir's niemand abgewinnen.

11. Wenn du die Haut und die Zunge in deiner rechten Hand hast, sieht man dich nicht, du seist zu Roß oder zu Fuß, läßt du dann deinen Atem an eine Tür gehen, so verschlossen ist, wo du willst, so geht sie sogleich gegen dich auf: jedoch nicht zu unrechten Sachen. Daß sie aber wiederum zugehen soll, so nimm Haut und Zunge in die linke Hand.

12. Wer den Balg bei sich trägt, den haben alle Leute gern und lieb.

13. Wer von der Schlange ein Stück ißt, dem müssen alle Geister untertänig sein, und wann einer auf Schätze geht, so hat er keine Furcht, und er gewinnt ihn und alles zusammen.

14. Das Schmalz der Schlange heilt alle Schäden und Wunden.

15. Wenn einem Menschen ein Schaden angezaubert wird, so binde ein Beinl in ein Tüchl und häng es neun Tage an den Hals, wird alles gesund. Wenn ein Vieh angezaubert wird, dann häng es ihm zwischen die Hörn oder an den Schwanz, heilt auch.

16. Wer das hinfallende Siechtum hat und ein Beinl vom Schlangenkopf an den Hals hängt, laßt es von Stund an nach.

17. Wenn ein Weib an der Muttersucht leidet, schab vom Beinl ein Beinmehl herab und trink's mit Wein, wird sie geheilt.

18. Bei schwerer Geburt über ein Beinl getrunken, wird sogleich gut vonstatten gehn.

19. Welcher kaufen oder verkaufen geht, nimm eines von diesem Stück in ein seidenes Tüchl, bewahr's aber gut, daß es nicht zu dem Geld kommt, dann ist Kauf oder Verkauf glücklich, endlich

20. der etwas in oder bei sich von der Schlange hat, der hat zu allen Dingen und Werken Glück, jedoch es muß zur Ehre Gottes und nichts Schlechtes sein.

Eine andere Grüßung ist dies:

EINE GERECHTE KUNST MIT DEM PARADEISWURM

"Grüß dich Gott, du edle Haselstaude, du edles, fruchtbares Holz, ich grüß' dich im Namen Gottes des Vaters und Gottes des Sohnes und Gottes des Hl. Geistes. Amen." Nun mache 3 heil. Kreuzzeichen über die Haselstauden und sprich: "Ich habe dich gesucht im Namen Gottes des Vaters † o du edle Haselstaude, ich habe dich gefunden im Namen Gottes des Sohnes † Jesus Christus † o du edle Haselstaude, jetzt will ich unter dir suchen und graben den edlen Paradeis- oder Fruchtwurm, du Tugend aller Tugend, die du in dir verschlossen hast. O Haselstaude, du edles Holz und edler Zweig, dich hat Gott insonderheit so edel geschaffen, daß er unter dir läßt ruhen den Wurm des Paradieses. Kunstgeberin Haselstaude, du edle Frucht und edles Holz, unter dir ruhte die Mutter Gottes mit ihrem lieben Kind, und du gabst ihr Freud und Mut, Unterhalt in Wetter und Sonnenschein, darum hat Gott lassen unter dir warten die edle Frucht des Paradeiswurms, dem gibst du Freud und Wohnung für Wetter und Sonnenschein, dazu, trägst du selber die Speis, darum empfangt er Saft und Kraft und Macht, wie Jesus Christus empfing von der keuschen Jungfrau Maria blutigen Saft und Macht. Also hast du die edle Frucht unter dir verschlossen, wie Maria, die Mutter Gottes, hat ihre Frucht Jesus Christus unter ihrem Herzen verschlossen gehabt, bis zur rechten Zeit der Geburt, auf daß eine edle Frucht, die du unter dir verschlossen hast, von dir nicht weiche, bis auf die Stunde, wo wir mit Freuden sie brauchen zu Nutz und Gut unserer Seele und des Leibs und Gott zu Lob und Ehr' seiner Mutter und allen himmlischen Chören, dazu helfe mir die heiligste Dreifaltigkeit Gott Vater † Gott Sohn † und der Hl. Geist † Amen."

Diese Beschwörung über die Schlange sprich dann:

"Ich, N. N., beschwöre dich, Paradeis- oder Haselwurm, bei dem ewigen starken Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, der das Paradies und dich geschaffen hat allen Kreaturen und dich zu Gut und Nutz der menschlichen Natur durch Kunst und Gunst zu überkommen, er hat dich den Menschen untertänig gemacht, darum gebiete ich dir bei der wahren göttlichen Kraft und Macht, daß du mir nicht weichest von der Statt, so wenig, als der Herr Jesus Christus ist von der reinen Jungfrau Maria Leib gewichen bis zu der Zeit seiner Geburt, als sie zu Bethlehem geboren hat. Ich beschwöre dich, Haselwurm, bei dem wahren Jesus Christus, daß du mir nicht weichest von der Statt, so wenig, als Jesus Christus ist von der Stätte des hl. Kreuzes gewichen, bis er Tod in Marter für uns gelitten und die heiligen Altväter aus den Höllen erlöset hat - also wenig weiche auch mir ab von der Statt, wo du bist, bis ich dich schließe in meine Gewalt mit aller deiner Kraft und Macht. Ich beschwöre und gebiete dir, Haselwurm, daß du mir so wenig, als die Jungfrau Maria von der Statt des heiligen Kreuzes ist gewichen, bis man ihren lieben Sohn Jesus Christus wieder vom Kreuz genommen und in ihren heiligen Schoß gelegt hat und endlich begraben worden, ebensowenig sollst du mir weichen, bis ich dich in meiner Hand empfange und gebrauchen mag zu meinem Nutzen samt all deiner Kraft und Macht. Ich beschwöre dich und gebiete dir an der Haselstaude, daß du so wenig von der Statt, wo du jetzt liegst, weichest, bis ich dich herabnimm; so wenig sollst du weichen, so wenig, als der ewige Gott von seinem Thron kann verstoßen werden, und mußt mir wahrlich verbleiben, so wahr, als Jesus Christus wird kommen am Jüngsten Tag, das Tal Josafat zu richten, die Lebendigen und Toten: Ich bann' dich und gebiet' dir, daß du stillestehst und stehen mußt, als der Jordan ist stillegestanden wie Johannes der Gottestäufer Christum getauft hat, allwo der Jordan sich nicht gewagt und bewegt hat, bis Jesus Christus aus der Taufe ist herausgegangen, ebensowenig darfst jetzt gehen von der Statt, bis ich dich in meiner Hand hab' empfangen, auf daß du mir zu Nutz und Heil an Seele und Leib und meinen Nächsten Hilfe seiest. Ich gebiete dir, Haselwurm, bei dem lebendigen Gott, bei seiner Ewigkeit und bei seiner allergrößten Kraft und Macht und bei Jesus Christus, seinem eingebornen Sohn, und bei der reinen Jungfrau Maria und bei allen Engeln und Erzengeln Gottes und bei allen himmlischen Chören, daß du stillestehst, nicht weitergehst, bis ich dich ergrabe und empfange, das gebiete ich dir durch die Vaterliebe und Treue, als Jesus Christus zu dem menschlichen Geschlecht hat. Ich beschwör' dich und gebiete dir, Haselwurm, daß du wahrlich und kräftig stillstehst und bleibst, so wahr Jesus Christus ist erstanden aus dem heiligen Grab: ich gebiete dir, wahrlich zu bleiben, so wahr, als Jesus Christus ist gegen Himmel auf gefahren; du sollst also wahr stillestehen ohne Schaden, sowenig Schaden der falsche König Herodes unserem lieben Herrn Jesu Christ in seiner Jugend schaden konnte, ich befehle dir, Haselwurm, daß du nicht von der Statt weichst durch die wahre Liebe und Treue, als die Heiligen Drei Könige zum lieben Jesus Christuskind hatten und ihm heilige Opfer brachten als Gold, Weihrauch und Myrrhen. Ich beschwöre dich und gebiete dir, Haselwurm, daß du stillstehst und nicht weitergehst und lassest dich finden so wahr, als die heilige Helena das Kreuz und die heiligen drei Nägel gefunden hat. Ich beschwöre dich und gebiete euch allen bösen Geistern, daß ihr nicht könnt diesen Wurm verschwenden oder verblenden, so wenig, als sie das heilige Kreuz konnten verschwenden oder verblenden, bis es die heilige Helena gefunden und erheben lassen samt den heiligen drei Nägeln: damit alles wahr sei und werde und meinen lieben Schatz, den Haselwurm, nicht können verblenden, dazu helfe mir das heilige Kreuzzeichen und die heiligen drei Nägel, welche unserm Herrn Jesu Christ durch Hände und Füße geschlagen wurden, und helfe mir unsers Herrn Jesus Christus rosenfarbes Blut, das abfloß, das sei für allen Betrug des bösen Feindes gut, auf daß mir zuteil werde die edle Frucht unter dieser Haselstaude. O Haselstaude und Wurm, steht still durch Jesus Christus' Willen und die Lanze, welche seine heilige Seite öffnete, durch das heilige Blut und Wasser, das aus dieser Wunde geflossen ist, und durch die Dornenkrone, welche unserm Herrn Jesus Christus in sein heiliges Haupt geschlagen worden, und durch seinen heiligen bitteren Tod, Auferstehung und Himmelfahrt, und durch Sendung des Heiligen Geistes. - O Heiliger Geist, erleuchte uns mit deiner Klarheit, auf daß uns kein böser Geist schaden könne, dazu helfe uns die heilige göttliche Dreifaltigkeit: Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Amen."

Der Wintling Schmid und der Eisl und der Kogler am Turm, diese drei Männer haben den Haselwurm durch diese Beschwörung bekommen im Jahr 1627.

Wenn du den Haselwurm bekommen willst, so geh am heiligen Sonnwendtag dahin und mach die Beschwörung, dann muß er am hellichten Tag hervorkriechen. Er wird hinaufkriechen an der Haselstaude zur Mistel und von derselben die weißen Mistelbeer verspeisen *.

Item merk auf. Auch alle Jahre an den drei heiligen Frühlingstagen kannst du ihn fangen, also am Gründonnerstag, am heiligen Karfreitag und am Karsamstag. Willst du den Wurm haben, so mußt du zwischen 9 und 10 Uhr, während die heilige Passion gelesen wird, vormittags die Stauden ausgraben. Mußt jedoch achtgeben, daß die Haselstaude schwarze Rinde und beerentragende Mistel hat.

* Der Haselwurm soll auch an den frischen Haselblättern mittendurch ein Löchlein fressen, das sei seine Nahrung.


Es war einst ein Kaufmann in Rattenberg, welcher eine besondere Aufschreibung über den Haselwurm hatte, wo es ebenso beschrieben war, und zwar, daß man ihn auch bei hellem Tag bekommen kann. Auch, war's am besten und sichersten am St.-Johannes-Tag oder St.-Jakobs-Tag, oder wenn der Mond im Vollschein ist, muß die Stauden umgegraben werden.

Will man am Johannistag graben, so soll es zwischen 9 und 1 Uhr vormittags geschehen.

Besagter Kaufmann hatte ein Buch desgleichen, daß man in der Johannisnacht von 9 Uhr abends bis 1 Uhr mitternachts oder am Johannistag von vormittag 9 Uhr bis mittag 1 Uhr graben soll. Das ganz gleiche gilt für den St.-Jakobs-Tag. Ist also nicht viel zu merken und leicht.

Im Jahre 1660 am Gründonnerstag und Karfreitag am 25. und 26. März ausgegraben, und am 14. April im Jahre 1661 haben ich und der Mot Hans einen ausgraben und die Haselstauden eingeschrieben.

Eine ähnliche Aufschreibung über den Haselwurm oder Paradeiswurm fand sich in den Händen eines originellen Mannes, der 1854 gestorben ist und selbst fest glaubte, daß er ein Wunderdoktor sei. Er schrieb sich Johann Gschösser, war aber nur unter dem Namen "der Kraschberger" oder "der Thalegger Hansl" bekannt. Ein abgehärteter Robbler, Gemsenjäger und Senner, bewohnte er in den Schluchten der Hinterriß seine Almhütte am Kraschberg selbst zur rauhesten Winterzeit, ohne einen Ofen zu haben, und betrieb in der Einsamkeit vermeintliche Wunderdinge, Heilungen, wodurch er sich weitum berühmt machte. Nach seiner Wissenschaft höre ein Mensch, welcher von dem Wurm gegessen, auch die Vögel, und am deutlichsten die größern Eulen, Raben und Adler reden, Heilmittel angeben und prophezeien, welches in vielen Sagen des Unterinntales wiederholt wird.

Nach der gleichen Quelle und einer uralten Überlieferung von Mund zu Mund in dem Alpbacher Bezirke stammen die Haselwürmer von jener Schlange her, welche im Paradiese die ersten Menschen verführt hat, daher ihr Name Paradeiswurm, Paradeisschlange, Wurm der Erkenntnis. Nachdem die Schlange das ganze Menschengeschlecht elend gemacht, so müsse sie nun gegen ihren Willen dem Menschengeschlechte dienen, Gesundheit und Glück bringen und unter der kostbaren, der heiligen Jungfrau geweihten Haselstaude wohnen.

Unter Breitenbach am "Innrain" (im Unterinntal am Wege von Breitenbach nach Kleinsöll) war früher ein ganz weißer Wurm -ein Haselwurm - öfter gesehen worden. Der war 1½ Schuh lang, man fürchtete sich vor demselben, weil mehrere Kühe wegen ihm zugrunde gegangen seien.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, S. 363ff