Das tanzende Beil

Als eines Tages in Brixlegg mehrere Zimmerleute beschäftigt waren, in einem neu erbauten Hause den Boden zu legen, wollte einem sein Beil gar nicht taugen; denn bald hieb er sich über die Schnur, bald fehlte er den Laden und hieb ins Schurzfell, daß er endlich, als die Mittagessenzeit angekommen war, das Beil zornig in eine Ecke des Zimmers warf und schrie: "Wenn dies verdammte Beil nur der Teufel holen tat!" Hierauf setzte er sich zu seinen Kameraden, das Mittagmahl zu verzehren, welches freilich nur in kalter Küche bestand, und wie er zu essen anfangen wollte, sprang auf einmal das Beil aus der Ecke hervor und hüpfte und tanzte im Zimmer immer schneller und schneller und machte endlich solche Sprünge, daß allen Arbeitern, die beisammen waren, die Haare zu Berge standen und sie durch Türe und Fenster entsprangen.

Der Inhaber des Beiles aber wurde fast wahnsinnig vor Schrecken, denn das Beil schien es auf ihn abgesehen zu haben, es gab ihm sogar einige arge Puffer und schien sich in ihm einhacken zu wollen; daher hatten die Kameraden, als sie draußen im Freien gerettet waren, gar viel zu tun, um den Erschreckten zur Vernunft zu bringen, der sein übereiltes Fluchen im vollen Ernste bereute. Ein alter frommer Zimmermann nahm endlich das Wort und riet - weil das Beil drinnen noch immer herumsprang und wild rumorte -, es mit Weihwasser zu besprengen, und das wurde auch getan, und das Beil ward augenblicklich zur Ruhe gebracht; dafür aber verbreitete sich im Zimmer ein sehr bestialischer Gestank, wie ihn nur der Teufel von sich geben kann. Die Leute wußten daher alsbald, woran sie waren, und der Besitzer des Beiles wollte nichts mehr davon wissen und sagte: "Wer das Beil aufheben will, mag es behalten!" Ein dummdreister Mensch, welcher Lehrbub bei den Zimmerleuten war, nahm es auf, und alle bedauerten den Unglücklichen, aber es zeigte sich jetzt des Beiles Kraft ganz anders. Der Lehrbub verfehlte nie die Schnur, er brauchte das Beil niemals zu schleifen, es war ein Wunderbeil. Als nach vielen Jahren der Besitzer zu sterben kam, paßten die Erben gierig auf diesen Schatz, allein mit seinem Tode war auch das Beil verschwunden und ist nicht mehr gefunden worden.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 44