Der letzte Laudecker

Hoch droben im Oberinntale, gerade ober Prutz, horsten noch am linken Ufer des Inn die Trümmer des einst berühmten Schlosses Laudeck, das schon in den alten Römerzeiten eine Schirmburg zur Deckung der Talstraße gewesen sein soll. Im Mittelalter waren die Grafen von Tirol Herren dieser Burg, später kam sie in die Hände von Lehensmannen, die sich nach ihr nannten. Der letzte dieses Stammes und Namens zog in einen wilden Krieg, und lange kam von ihm keine Kunde. Die daheimgelassene Hausfrau begann schon ihren Gemahl als einen Toten zu beweinen, und all ihr Hausgesinde trauerte mit ihr um den geliebten guten Herrn. Da erscholl an einem Wintertage Trompetengeschmetter von ferne her, und Jubelruf erfüllte die Luft. Der Burgherr kehrte als Sieger heim, die Burgfrau flog zum Söller hinauf und wehte ihm freudevoll mit ihrem Tuch Grüße zu. In des Schlosses Nähe lag ein kleiner See, um den der Weg sich im weiten Bogen zog. Sehnsucht und Liebe ließen den Ritter den Umweg verschmähen, der See war gefroren, er überritt die Eisdecke, und diese brach treulos unter ihm und seinem Rosse. Niemand konnte Rettung bringen, vor den Augen seiner entsetzten Hausfrau, angesichts all seiner Dienerschaft versank und ertrank der treue Ritter. Später verbrannte und verfiel Burg Laudeck, nur die Trümmer stehen noch, und ihr unheimlicher Weiher ruht noch neben ihr und dem kleinen Bergdörflein Ladis, und man soll es zuzeiten nächtlicherweise in ihm rauschen und poltern hören, als kämpfte ein Roß mit dem Gewässer. Dies ist die einfache Sage, wie sie im Volke lebt. Einheimische Poeten haben sie verwässert und mit einer Nixe in Verbindung gebracht, die den Ritter verlockt und zu sich in den Weiher gezogen habe, von der aber das Volk nichts weiß.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 226.