DER ROßSPRUNG
(Geschichtssage)
Auf einem Amraserfelde am Wege von Herrn von Eggers Landhaus in Pradl gegen den Amrasersee zu, sind nahe an der Straße zwei große Denksteine eingesetzt, und die Wiesen, auf welchen sie stehen, heißen die Roßsprungwiesen, welche Herrn Gärbermeister Nußbaumer in der Kohlstadt eigen sind. Der Raum von dem einem bis zu dem anderen Stein mißt 6 Klaster 2 Schuh; so weit ist ein reitender Bote mit seinem Pferd in Einem Satz gesprungen. Der zweite Stein, gegen die Stadt Innsbruck zu, hat nach der Straße eine fast unleserliche Inschrift, und rückwärts ist ein Kreuz eingehauen, zum Zeichen daß hier ein Mensch verunglückte.
Als Erzherzog Ferdinands schöne Gemahlin, Philippine, im Schlosse Amras einen Prinzen gebar, da wurden zwei Edelknaben zu Pferd mit dieser erfreulichen Nachricht nach Innsbruck gesendet. Jeder der edlen Boten wollte der schnellere sein, daher sprengten sie in Sturmeseile hinab vom Schloß, und weil damals an jener Stelle, wo die beschriebenen Steine stehen, ein großer Kanal durchging, welcher das Wasser vom Amrasersee weiter leitete und mit einer Brücke versehen war, die ein wenig abseits lag, so sprengte der eine der Reiter direkt über den Kanal, um den andern, der über die Brücke ritt, die Zeit abzugewinnen; er kam auch richtig hinüber, aber drüben fiel Reiter und Pferd todt zu Boden. Der Edelknabe wurde freilich feierlich beerdigt, aber todt war todt, er ist verscharrt und Niemand weiß seinen Namen; nur das Pferd ist unsterblich geblieben; denn es wurde augebalgt, und ist in der Schatzkammer im Schlosse Amras ausgestellt und noch heute zu bewundern.
Der Roßsprung in Pradl
Museum Ferdinandeum, Innsbruck
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 128, Seite 130
Literatur: F. H. Hye-Kerkdal, Der Roß-Sprung in Pradl, in: Tiroler
Heimatblätter, Heft 1 - 3, 1961, S. 25 - 27.