Die Hexenfahrt

Ähnliches, wie es eine Höttinger Sage kündet, wird auch im Paznauntale erzählt. Ein Weib im Hofe Moos, die Bäuerin selbst soll es gewesen sein, schlich nächtlicherweile von des Mannes Seite, den sie schlafend wähnte; er aber war wach, schlich der Bäuerin nach und sah, wie sie mit der Hexensalbe sich bestrich, und hörte sie dann die bekannten Hexenfahrworte aussprechen: "Oben hinaus und nirgends an!", und flugs flog sie davon. Gleich tat der Mann es ihr nach, strich sich, sprach das Zauberwort und ward im Hui durch die Luft auf einen Hexenboden entrückt, den ein Palast voll Pracht und Glanz schmückte, den Tanz und Lustbarkeit erfüllte, in dem die Tische mit Wein und Speisen sich unter der Last der Geräte bogen. Der Kreis zahlreich versammelter Hexenweiber zog den Mann in seine Wirbel, an seine Tische, und er tanzte mit und sah sich köstlich bewirtet. Sein Weib bot ihm Kuchen dar, davon nahm und aß der Mann, aber er schmeckte wie Judenmatzen, war ohne Salz und Schmalz. Der Mann hatte etwas Salz in seiner Tasche, das streute er auf und aß und sagte: "Das Salz ist doch eine herrliche Gottesgabe!" Da krachte es um ihn, als berste der Berg, Lichter und Feuer erloschen, alles schwand, und der Mann saß allein auf einem Felsen in öder, finsterer Wildnis, und als es Tag wurde, kannte er sich doch nicht aus in der Gegend und konnte auch nicht vom Felsen herab. Er wartete bis zur nächsten Nacht, frierend, hungrig und durstig. Da erschien die Gesellschaft wieder, da war alles wie vorher, und der Mann bat seine Frau, ihn nicht abermals allein zu lassen. Als der Hexensabbat beendet war, nahm sie ihn mit, führte ihn daheim auf den Mist und wollte ihm einen Eid des Schweigens abnehmen, dafür ihn aber in das Hexenbündnis aufnehmen.

Er sollte sagen:

Ich trete auf diesen Mist
Und schwöre ab dem Herrn Jesu Christ.

Er aber sprach:

Ich trete auf diesen Mist,
Und dich hinein, Luder, das du bist!

nahm den ersten besten Knüttel, schlug die Hexe tot und trat sie wie sie war in den Düngerhaufen hinein.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 203.